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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Funkenwolken, flackerndes, blutgoldenes Licht strahlte durch die Nacht, und mit einem Mal schwebte ein brennender Mensch über die Köpfe der schreienden und brüllenden Massen hinweg. Fäuste reckten sich dem lodernden Körper entgegen, und Laute des Abscheus zischten und pfiffen ihm entgegen.
    Lewis hatte sich vorgebeugt und krallte entsetzt seine Finger in Herders Schulter, der seinerseits mit offenem Mund und schreckgeweiteten Augen auf das grausige Spektakel blickte. Hardenberg schirmte die Brauen mit seiner Hand ab und schaute angestrengt, aber nicht minder furchtsam. Dann sog er heftig die Luft ein.
    „Es ist nur eine Puppe!“, rief er erleichtert. „Eine Strohpuppe!“
    Tatsächlich erkannte nun auch Lewis, dass es ein menschenähnlicher Leib war, der aus Stroh gewunden war und mit Stangen hoch über die Köpfe der Menge getragen wurde. Die Puppe trug, durch den Flammenglast erkennbar, Rock, Hosen und einen langen Mantel, der wie der feurige Schweif eines Kometen hinter der Gestalt herwehte. Auf dem groben Haupt saß eine ebenso grob aus Blech geschnittene Krone.
    „Dieses Bild dürfte eindeutig sein“, meinte Herder.
    „In der Tat“, knurrte Hardenberg, „und gefährlich obendrein, jedoch nicht allein für die Obrigkeit, die es als drohendes Fanal sehen sollte. Seht!“
    Die Funken und brennenden Strohhalme, die zusammen mit den Fetzen der verglimmenden Kleider auf die wütenden Menschen herabregneten, vollzogen ihre naturgegebene Bestimmung und setzen alles in Brand, womit sie in Berührung kamen. Schon brannten einige der geschwungenen Tücher und Fetzen, Kokarden und Bänder in den französischen Farben loderten, und Haare fingen Feuer. Schreiend sprangen Frauen und Männer hinfort, die Schöpfe von knisternden Flammen umweht, schreiend und um sich schlagend, doch niemand half. Die Umstehenden zeigten, deuteten und jubelten, als wollten sie den armen Geschundenen für dieses neuerliche Spektakel applaudieren.
    Herder, Hardenberg und Lewis verfolgten das feurige Unheil mit Bestürzung.
    „Sie sind alle im Wahn ... im Rausch. Vom Schwindel ergriffen“, stotterte Lewis und fuhr sich mit der Hand übers schweißnasse Gesicht.
    Da fuhr Herder mit entschlossener Miene auf. „Wir können nicht nur beobachten, wir müssen helfen!“ Er griff nach der Tür, wurde aber von Hardenberg zurückgehalten.
    Herder funkelte ihn an. „Lass mich, Friedrich! Ich bin bald Arzt, ich kann das nicht geschehen lassen.“
    „Ein toter zukünftiger Arzt bist du gleich!“ Hardenberg wies ungestüm aus dem Fenster. „Sieh doch, wie willst du durch dieses Gewirr dringen, um zu jenen zu kommen, die Hilfe brauchen?“ Er sah Herder bekümmert an. „Obwohl es mir scheint, als bräuchte ein jeder einzelne dort draußen Hilfe.“
    Hardenbergs Antlitz verlor den harten Ausdruck. „Du wirst wohl recht haben. Die armen Menschen, dem Wahnsinn anheimgefallen. Was kann man nur tun?“
    Lewis hatte weiterhin nach draußen gesehen, und mit einem Mal hörten sie einen dumpfen Aufprall und einen Schrei. Ein Schatten fiel knapp außerhalb von Lewis’ Sichtfeld in die tosende Menge, und sie trug ihn fort. Die Kutsche begann zu schwanken wie ein Schiff auf hoher See.
    Angsterfüllt drehte Lewis sich zu den beiden anderen um. „Sie haben den Kutscher heruntergestürzt, zwei Männer sind auf den Bock geklettert!“
    Noch ehe Herder und Hardenberg etwas erwidern konnten, wieherten die Pferde panisch auf, eine Peitsche knallte, und mit einem heftigen Ruck machte die Kutsche einen Satz nach vorn. Schreie erschallten, und in ihnen lagen Wut und Schmerz, aber auch Panik und Irrsinn. Gesichter und Flammen huschten an den Fenstern vorüber, als die rasende Fahrt begann und der Wagen wie eine Sichel durch das Feld der Menschen schnitt. Angstvolle Gestalten sprangen in höchster Not zur Seite, doch andere, wahnhaft mutige, krallten sich an der Kutsche fest und ließen sich von ihr davontragen.
    Neben Hardenberg tauchte eine zerzauste Gestalt mit irren Augen im Fenster auf, langte mit klauenartigen Fingern nach ihm, doch bevor sich der Angegriffene von seinem Schock erholen, ja erwehren konnte, war der Mann bereits davongehuscht, verschwunden wie ein Alptraum in der Morgendämmerung. Lewis schob mit aufgeregten Bewegungen eine alte Frau zurück, deren Haar wie bleiche Nebelfetzen im Fahrtwind wehte und aus deren zahnlosem Maul Geräusche entstiegen, die aus den Tiefen des Hades zu stammen schienen. Mit einem markerschütternden Kreischen

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