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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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den Platz mit der irren Menge nicht überqueren mussten. Das Gejohle war entsetzlich, schrille Schreie klangen auf und hallten ihnen nach. Sie beschlossen, die Innenstadt und die Plätze weiträumig zu umgehen. Zwei, drei Straßen hetzten sie entlang, und der Lärm ebbte bis auf ein unterschwelliges Schwirren von Stimmen ab, dann standen sie mit einem Mal vor einer Frau, die in der einsamen Nebenstraße tanzte. Der Mondschein, der in die Gasse fiel, ließ ihr helles Kleid aufschimmern, und auch ihr loses Haar leuchtete wie nicht von dieser Welt. Sie drehte sich um sich selbst, die Arme ausgebreitet, und von ihrer Rechten hing ein kleiner geflochtener Korb, aus dem weißliche Papierfetzen regneten. Diese flatterten durch die Dunkelheit, bis sie im Schnee, der den Boden bedeckte, unkenntlich wurden.
    Schon wollten die drei jungen Männer zurückweichen, als die Frau sie bemerkte und mit weiten, graziösen Schritten auf sie zuflog. Dass sie auf dem eisigen Grund nicht ausrutschte, schien wie ein Wunder. Sie drehte sich in die Mitte der drei und schaute jeden mit schiefgelegtem Kopf und weit aufgerissenen Augen an. Gespenstisch hauchte ihre Stimme aus dem bleichen Mund.
    „Verstehen die Herren es, ein Rätsel zu lösen?“
    Lewis stand wie erstarrt, Hardenberg griff wie im Reflex an sein Revers, wo sich unter dem Mantel seine blaue Blume verbarg, nur Herder schaute gefasst drein.
    Die Frau griff, ohne ihren Blick von den Dreien abzuwenden, in ihren Korb und streute einige Zettel herum, als seien es Blütenblätter. „Ein jeder, der es vermag, der darf mit mir tanzen!“
    Sie lachte, leise und hell, so dass Lewis zutiefst erschauerte. Dann drehte sie sich wieder und sprang fort, in die Richtung, aus der Lewis und die anderen gekommen waren. Sie verschwand im Dunkel, eine dünne Spur aus Papierfetzen auf ihrem Weg zurücklassend.
    Hardenberg atmete auf. Herder sah der tanzenden Gestalt nach. „Ich glaube, das war die Gemahlin des Verlegers Nicolai. Der Wahnsinn hat auch vor ihr nicht haltgemacht.“
    Lewis zitterte vor Kälte und vielleicht auch vor Angst. „Wenn sie nicht in den mordenden Pöbel gerät, wird sie sich in diesem Kleid den Tod holen.“
    Hardenberg hob einen der Zettel auf, warf einen Blick darauf, griff dann den nächsten und den nächsten und einen weiteren und schüttelte schließlich den Kopf. Er hielt die Handvoll Papierfetzen den anderen hin. „Seht ...“
    Die Tinte, mit der die Zettel beschrieben waren, war schon durch die Nässe des Schnees verlaufen, gleichwohl konnte man erkennen, dass es keine Buchstaben waren, die sich darauf zu Worten und Sätzen reihten. Vielmehr waren es kunterbunte Schnörkel und Kreise, die niemand, der nicht dem Wahnsinn verfallen war, entziffern mochte.
    „Ich weiß nicht, wer mir irrsinniger scheint: die, die dies schrieb oder jener, der das Rätsel darin zu lösen vermag“, sagte Hardenberg mit hohler Stimme.
    Da vernahmen sie aus einiger Entfernung Jubel und ein helles Kichern, wie von fröhlichen Stimmen und doch mit einem Unterton, der von keinem gesunden Geist herrühren konnte.
    „Ich fürchte, eben der wurde gerade gefunden“, meinte Herder.
    Lewis drängte seine Freunde voran. „Beide sind noch zu sehr in unserer Nähe. Laufen wir!“
    Sie rannten die Gasse entlang, um eine Biegung und um die nächste, und dann befanden sie sich in einer Straße, die Lewis bekannt vorkam. Es war jene, durch die er im Sommer mit Böttiger auf der Suche nach Goethe gegangen war. Sie befanden sich direkt hinter dem Haus am Frauenplan.
    Hardenberg horchte. „Nichts zu hören.“
    „Dann ist der Weg frei. Zumindest scheint Goethes Haus nicht belagert.“ Herder nickte und bedeutete den anderen weiterzugehen.
    Sie huschten zum Ende der Gasse, um keine böse Überraschung zu erleben. Lewis hatte die furchtbare Vision einer stumm starrenden Menschenmenge, die sie erwartete und die dann nach einem quälenden Augenblick der Stille auf ihn und die beiden anderen einstürzen würde.
    Ein vorsichtiger Blick um die Ecke zeigte ihnen den Platz mit dem Brunnen bar jeder Seele. Sie gingen langsam weiter, eng an die Fassade gedrückt. Beim Näherkommen sahen sie, dass das Pflaster des Platzes mit Fetzen, Bändern, zerbrochenen Stangen, Kleidungsstücken, Hüten und sogar Schuhen übersät war, Zeichen dafür, dass sich hier ebenfalls ein Tumult abgespielt hatte. Manche Fackeln, die vereinzelt dazwischenlagen, qualmten gar noch. Irgendwo in der Ferne erklang ein Schuss, und eine

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