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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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und nicht mehr sonderlich düster wirken. Er schäumte Seife auf und bestrich sich das langgezogene Kinn und die Partien um seine vollen Lippen.
    Als er das Messer ansetzte, hörte er von unten Karlchens offenkundig gut gelauntes Krähen. Lewis seufzte. Der winzige Knabe schien einen Narren an ihm gefressen zu haben und hing ihm nun stets am Rockzipfel. Als er noch gehörigen Respekt vor dem düsteren Engländer gezeigt hatte, war er Lewis angenehmer gewesen. Zwar hatte er seine eigene Kindheit mit drei jüngeren Schwestern verbracht, aber dies war doch etwas ganz anderes.
    Zudem schien Eleonore Böttiger Karlchen allzu oft in Lewis’ Richtung zu lenken, als wolle sie auf sich selbst aufmerksam machen. Lewis schabte über seine Wangen und dachte nach. Die Ereignisse der ersten Tage hatten ihn die fast unstandesgemäße Freundlichkeit der Frau seines Gastgebers nicht sonderlich bemerken lassen, er war mit sich selbst beschäftigt gewesen. Mittlerweile fragte er sich aber, was dahinter steckte. Sah Eleonore Böttiger in ihm so etwas wie einen erwachsenen Sohn? Das konnte, betrachtete man den geringen Altersunterschied, kaum sein. Aber wer konnte schon Mütter verstehen?
    Lewis biss die Kiefer zusammen. Die Bewegung ließ das Rasiermesser aus seiner Bahn gleiten und in Lewis ’ Wange schneiden. Aus der winzigen Wunde sickerte Blut, das ihn erschrecken ließ. Rasch brachte er die Rasur zu einem Ende und trocknete sein Gesicht.
    Hoffentlich würde die Blutspur auf dem Leintuch die Waschfrau nicht allzu sehr in ihrer Annahme bestätigen, die Böttigers hätten sich mit dem Engländer einen sehr verschrobenen Gast ins Haus geholt. Aber schließlich hatte auch der Herr des Hauses dann und wann eine Blessur. Nichts Ungewöhnliches also.
    Als er sich anzog, betrachtete er die Schauerromane, die sich düster auf dem Nachttisch türmten. Hatte Eleonore Böttiger in ihm doch nur eine verwandte Seele im Bereich der Literatur erkannt? Ihr Mann war schließlich wesentlich nüchterner, auch oder vielleicht gerade weil er für die vergangenen Sphären der klassischen Antike schwärmte. Nach dem Abendessen des Vortages hatte Böttiger es sich nicht nehmen lassen, eine seiner Abhandlungen vorzutragen. Jenes Lehrstück über die Prachtgefäße der Alten hatte, wie er betonte, im März des Jahres die Mitglieder des Weimarer Gelehrtenvereins zu unterhalten, ja von den Plätzen zu reißen gewusst. Natürlich war er davon ausgegangen, auch ein profaneres Publikum wisse es zu schätzen und hatte somit Lewis gezwungen, nach dem durchaus schmackhaften Mahl von Rindfleisch, Kartoffeln und Erbsen, welches Lewis so angenehm an seine Heimat erinnert hatte, ein gerüttet Maß an Zeit aufmerksam dreinblickend auf seinem Stuhl zu sitzen. Der Senf stammte zwar aus Erfurt, wusste am Gaumen des Engländers aber das erwünschte Prickeln zu entfachen, das er vom heimischen Mostrich schätzte. Lewis hatte also dem Essen tüchtig zugesprochen, was sich im Anschluss durch eine gewisse Trägheit im Kopf bemerkbar machte. Es fiel ihm nicht leicht, Vortrag und Vortragendem die nötige Höflichkeit in Form von gelegentlichem Kopfnicken zu zollen, wann immer Böttigers Blick vom Manuskript in seine Richtung wanderte. Geschickt konnte er sein in immer kürzeren Intervallen auftretendes Gähnen hinter der Hand verbergen und in einer Anwandlung von eleganter Genialität gar durch angedeutete Schlucke aus dem Weinglas tarnen. Eleonore Böttiger hingegen hatte das Glück besessen, sich nebenbei einer Handarbeit widmen zu können. Dann und wann blickte sie zu Lewis herüber, der glaubte, so etwas wie Mitgefühl erkennen zu können. Augenscheinlich kannte sie Böttigers gelehrte Ausführungen bereits und wusste, wie lang Lewis noch den geneigten Zuhörer zu mimen hatte. Sehr lang, denn Böttiger gab noch in ausschweifendem Bericht die damals im Anschluss erfolgte Diskussion wider. Lewis hatte sehr oft in sein Glas gähnen müssen.
    Wäre jedes Mal auch ein Mund voll Wein durch seine Kehle geflossen, er wäre an diesem Morgen nicht so behände auf den Beinen gewesen. So stieg er mit geradezu artistischem Geschick in seine Hosen und wollte den Fuß gerade wieder auf den Boden setzen, als es an der Tür klopfte. Lewis erschrak und strauchelte nahezu, fing sich aber mit einiger Mühe wieder. Er fürchtete, der unartikulierte Laut, der ihm über die Lippen gekommen war, habe durch das Holz der Tür möglicherweise wie die Erlaubnis zum Eintreten geklungen. Fieberhaft

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