Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
als nicht allein zu übersetzen, sondern auch die Aufmerksamkeit, ja, das Vertrauen der künftigen Leser zu erwecken, indem man selbst ein elektrisierendes Werk abgründigen Schauders verfasste? Eine Geschichte von Liebe und Verrat, Mord und Wahnsinn, in alten Gemäuern und tiefen Verliesen spielend, und über allem dräuend die machtvollen Krallen der schrecklichsten Macht auf Erden, die ...
    In diesem Augenblick schlug die Turmglocke der nahen Kirche, und Lewis wurde aus seinen Gedanken gerissen. Mit einem Mal verspürte er ungeheure Hitze. Er blickte auf das Papier vor sich und sah, dass die Tinte zerlaufen war, wo Schweißtropfen von seiner Stirn auf die Schreibplatte gerollt waren. Die Schriftzüge der letzten Sätze waren blass, da Schweiß auch von seiner gekrampften Hand über die Feder gelaufen war und die Tinte bis zur Farbe von Asche verdünnt hatte.
    Lewis wischte sich übers Gesicht, fuhr sich durch die dunklen Strähnen seines Haares, fühlte sich wie aus einem wirren Traum erwacht. Er sprang auf, dass der Stuhl nach hinten kippte, und setzte zum Fenster hinüber. Kaum hatte er die Vorhänge zur Seite gefegt, riss er am Griff, und endlich strömte kühle Luft über seine erhitzten Züge.
    Draußen stand die Sonne hoch, brannte in die Schluchten der Gassen, zeichnete die Schatten der Giebel scharf auf das Pflaster. Lewis atmete heftig und klammerte die Finger um die hölzernen Rahmen des Fensters. Als er seine Halsbinde lösen und den Kragen weiten wollte, stellte er fest, dass sein Hals bereits enthüllt war. Der Stoff ringsum war klamm vom Schweiß. Lewis sog weiter die Luft ein, roch verschiedene Dünste der Mittagsmahlzeiten, die überall ringsum bereitet wurden und durch die Küchenfenster ihren Weg in willige und unwillige Nasen fanden.
    Lewis hustete und wandte sich ruckartig ab. Am Waschtisch warf er sich einige Hände Wasser ins Gesicht, ließ es abperlen und fühlte sich danach etwas frischer. Leicht zitternd ließ er sich auf dem Stuhl nieder, nachdem er ihn mit einem Ächzen wieder aufgerichtet hatte. Vor dem Sekretär lag seine Halsbinde, die er irgendwann abgelegt hatte und achtlos hatte fallen lassen.
    Nachdem er sie aufgehoben hatte, fiel sein Blick auf das zuletzt Geschriebene. Fahrig waren die Striche und Züge und durch die verschmierte, verdünnte Tinte auch schwer zu entziffern. Lewis blätterte blindlings Blatt um Blatt zurück, bis er auf die letzte Seite traf, die seine übliche akkurate Schrift zeigte und Konjugationen, Deklinationen und Vokabeln enthielt. Dann erschrak er, als er merkte, welche Menge an Papier er in seiner Linken hatte. In seinem Rausch musste er wie besessen geschrieben haben, mehr als ein Dutzend Seiten in enger Schrift konnte er nun vor sich ausbreiten. Deutlich konnte man erkennen, wann seine Gedanken und seine Aufzeichnungen abgeschweift waren, wann die Grammatik dem Grauen Platz gemacht hatte.
    Denn was Lewis da in seiner eigenen und ihm doch fremden Schrift las, erschreckte ihn zutiefst. Nicht nur, weil er es unbewusst, ja in Trance geschrieben zu haben schien, sondern weil sich hier ein Szenario skizzierte, das die von ihm gelesenen Schauerromane an blasphemischer und furchterregender Kraft weit übertraf. Der leibhaftige Teufel trat hier auf, abscheuliche Morde geschahen, unschuldige Frauen wurden ins Unglück gestürzt, und sei das nicht schon verwerflich genug, so war ein abtrünniger Gottesmann der Verursacher all dieses Übels.
    In Lewis’ Magen kroch ein bedrückendes Gefühl, bemächtigte sich seiner Brust. Er rang nach Luft. Rasch griff er nach den beschriebenen Seiten und zwängte sie in eine Schublade, die er ebenso rasch zudrückte, als fürchte er, die verfluchten Papiere könnten ein Eigenleben entwickeln und sich gegen das Einsperren auflehnen. Dann sank er in seinem Stuhl zusammen.
    Langsam begann er, sich zu fürchten. Nicht nur seine Nächte, auch seine Tage schienen unter einem schlechten Stern zu stehen. Kaum war er der Gespenstererscheinung der Witwe entronnen, verfolgten ihn Wahngespinste schon in der hellen Mittagszeit, ja schlimmer noch, es waren keine Gespinste, sondern deutliche Manifestationen, die seinem eigenen Geist entsprangen. Lewis sah nur einen Ausweg aus dieser erschreckenden Lage, und als er zum Essen gerufen wurde, hatte er seinen Entschluss gefasst.

    Bei Tisch verschwieg Lewis die Erlebnisse des Vormittags. Einerseits wollte er seine Gastgeber nicht beunruhigen, was seinen Geisteszustand anging, an dem Lewis in

Weitere Kostenlose Bücher