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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Anscheinend war Lewis’ Lautäußerung lauter gewesen, als er gedacht hatte.
    „Ja“, rief er zurück und machte keinen Hehl aus seinem Missmut. „Die Sonne geht auf!“
    Goethe warf den Kopf herum. „Die Sonne?“ Er sah um sich und schüttelte den Kopf. „Ach was, da vorn ist unser Ziel!“
    Lewis wollte dies nicht hinterfragen, sondern rief: „Außerdem haben wir weit mehr als acht Meilen zurückgelegt!“
    Goethe lachte. „Selbstverständlich, wenn Sie englische Meilen meinen. Ich sprach aber von deutschen , und die sind fast fünfmal so lang. Ich nahm an, Sie wüssten das.“
    Mit einem Mal wurde Lewis bewusst, warum er sich immer gewundert hatte, dass seine Reisen nach Berlin und Weimar so unverhältnismäßig lang gedauert hatten, obwohl die Kutscher stets von so geringen Entfernungen gesprochen hatten. Er biss sich auf die Lippen. Wie peinlich, dies nicht bedacht zu haben! Aber auf der anderen Seite hatte er in England die Karten studiert und die Entfernungen dort ...
    Goethe riss ihn aus seinen Überlegungen. „Na los, keine Schwäche, jetzt, da wir das Ziel vor Augen haben! Los!“
    Lewis verschob seine Berechnungen auf später, um mit Goethe mithalten zu können, der nun sein Pferd antrieb, als schimmere am Horizont nicht die Sonne, sondern ein Topf voll Gold, den es zu erreichen galt. Aber halt, verbesserte sich Lewis, die Sonne war es ja offenbar nicht – und selbstverständlich auch kein Gold. Aber was vermochte dieses Leuchten auszulösen? Dann kam ihm eine Idee. Je weiter sie sich dem Leuchten näherten, desto sicherer wurde er seiner Vermutung, und schließlich bewahrheitete sich diese.

    Lewis und Goethe ritten auf den Vorhof der Hölle zu. Das lodernde Inferno lag in der Sohle eines Talkessels und sandte grelles Leuchten über die bewaldeten Hänge. Flammen schlugen hoch zum rotglühenden Himmel, und Funken stoben in die Nacht. Ein leiser Wind trug den Geruch von Feuer heran.
    „Eine brennende Siedlung“, erkannte Lewis, und ihn schauderte. Er konnte im flackernden Licht kleine Gestalten zwischen den brennenden Häusern, Hütten und Scheunen sehen, Menschen, die zwischen den hohen Flammen und den riesenhaften Schatten, die diese ihnen anhefteten, herumliefen. Schreie waren zu hören, sowohl von Menschen als auch von Tieren.
    Lewis konnte kaum glauben, dass Goethe ihn geweckt und durch Feld und Wald gehetzt hatte, um nun diesem schrecklichen Schauspiel beizuwohnen. Was für ein schrecklicher Mensch war dieser Geheimrat, sich an Elend und Verdammnis anderer zu weiden? Es schüttelte ihn vor Abscheu, und doch starrte er selbst wie gebannt auf die verheerende Macht, die dort unten wütete.
    Goethe, der sich neben ihm auf dem Pferd nach vorn reckte, stieß ihn an. „Schauen Sie nicht! Lassen Sie uns hinabreiten und diesen armen Leuten helfen!“
    Schon lenkte Goethe sein Pferd zu Tal, und Lewis folgte, wobei er zum erneuten Male nicht wusste, was er nun denken sollte.
    Zum grellen Licht der Feuer kam nun auch die sengende Hitze, die sich wie eine Decke um die Ankömmlinge legte, und da war auch der Lärm. Das Flammenmeer fraß sich prasselnd durch Holzbalken und strohgedeckte Dächer. Männer schrien einander Worte zu, rannten mit Eimern, Krügen, Schaufeln und Beilen umher. Wasser spritzte Schwall um Schwall in die Glut, verwandelte sich zischend in Dampf, der mit dem Rauch die Sicht erschwerte. Schatten tanzen auf den gekalkten Wänden der Gebäude, die weiter von den Bränden entfernt waren und die eine Leinwand bildeten für ein groteskes Schattentheater verzerrter, unmenschlich wirkender Gestalten.
    Lewis und Goethe hatten die nervösen Pferde am Eingang des Dorfes angebunden und waren rasch zum Brandherd gelaufen. Lewis fühlte sich wirklich in die Hölle versetzt. Die rußgeschwärzten Männer, die ihren nahezu aussichtslosen Kampf gegen die Flammen fochten, wanden sich im zuckenden Licht wie geschundene Seelen, und das Weinen und Jammern der Frauen und Kinder trug sein Übriges zu diesem infernalischen Eindruck bei.
    Lewis hob die Hand vor die Augen. Nicht, um sie vor diesem Anblick zu schützen, sondern damit die Hitze ihm nicht die Lider versengte. Er atmete flach, um nicht zu viel beißenden Rauch in seine Lungen zu ziehen. Das Brausen des Flammenmeeres war ohrenbetäubend, das Wirbeln der Lohen zog Lewis in seinen Bann, so dass er nur dastand und starrte, beobachtete, wie das Feuer sich am Leib des Dorfes nährte.
    Ein barscher Ruf lief ihn aufschrecken. Jemand drückte ihm

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