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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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einen schweren Eimer in die Hand. Es war Goethe, der seinen Rock abgelegt hatte und nun mit aufgerollten Hemdsärmeln Lewis zur Hilfe aufforderte. Der sah sich um. Innerhalb der wenigen Augenblicke, in denen er sich in der Betrachtung der Flammen verloren hatte, war er zum Glied einer Eimerkette geworden, die rettendes Wasser herbeischaffte. Er gab den Eimer rasch weiter an einen Mann, in dessen Augen sich das Feuer widerspiegelte. Irgendwo zischte es auf, als Wasser auf Glut traf, und schon spürte Lewis den nächsten Eimerhenkel in der Faust.
    Lange Zeit gab Lewis sich dieser eintönigen Arbeit hin, um ihn herum nur sengende Hitze, rotes Licht und schwarzer Rauch. Das verschüttete Löschwasser tränkte seine Kleidung, die zu dampfen begann und in der Hitze trocknete, bis ihn ein erneuter Schwall durchnässte. Er spürte, wie seine Füße zu schmerzen begannen und erschrak, weil er plötzlich befürchtete, dass das Wasser in seinen Stiefeln zu sieden begonnen hatte. Rasch trat er vom Brandherd zurück, soweit es möglich war.
    Dann kam Wind auf und trieb Funken wie glühende Meeresgischt vor sich her. Wo schon Stunden zuvor Häuser in sich zusammengesunken waren, blinzelte tückische Glut auf, loderten erneut Flammen empor. Die Löschenden gruppierten sich um, und Lewis folgte. Sein Gesicht und seine Augen brannten, und in seine Kehle schnitt der Durst. Kurz trank er aus einem Löscheimer, und das Wasser schmeckte nach Kohle und Ruß. Dann reichte er den Eimer weiter und nahm von der anderen Seite den nächsten Eimer und wieder den nächsten und wieder, ohne dass er die verstreichende Zeit wahrnahm.
    In diese scheinbar endlose Eintönigkeit, die Lewis umfangen hielt, drangen mit einem Mal ein durchdringender Schrei und ein furchtbares Krachen.
    Lewis erschrak, ein Eimer entglitt ihm und stürzte zu Boden, ein Wasserschwall durchtränkte Boden und Stiefel endgültig. Lewis sah auf und erkannte, dass ein wenig abseits ein Dachstuhl eingestürzt war, und die gewaltige Wolke aus Funken, die in die Luft gewirbelt worden war, senkte sich wie feuriger Nebel über die Szene. Schon loderten die Flammen neu auf, und das Heulen und Brüllen der Umstehenden übertönte für einen Augenblick das Fauchen und Prasseln. Kohlschwarze Schemen liefen durcheinander, und Rufe gellten. Lewis glaubte zu verstehen, dass einer der Löschenden unachtsam nahe an eine der lohenden Ruinen getreten war, just in dem Moment, als die glutzerfressenen Balken nachgegeben hatten.
    Lewis versuchte, Näheres auszumachen. Aus den Trümmern des Hauses, die wie ein teuflischer, bizarrer Kamin geformt waren, drang ein Schreien. Der Mann schien noch zu leben! Die Retter versuchten, mit langen Stangen und Harken die rauchenden Balken zur Seite zu zerren und den Eingeklemmten zu befreien. Dieser schrie und brüllte, als sein Haar Feuer fing und mit heller Flamme von seinem Kopf gesengt wurde. Seine Bekleidung begann zu rauchen, und bald glühte er von Kopf bis Fuß. Der schreckliche Geruch kohlenden Fleisches drang bis zu Lewis hinüber, der dastand, die Hände halb erhoben und mit von Rauch und Entsetzen tränenden Augen ungläubig das grausame Geschehen betrachtend. Die anderen um ihn hatten ebenfalls innegehalten, die rettende Eimerkette war unterbrochen, und ringsherum brannte und loderte es ungezügelt. Doch schien in diesen Augenblicken die Rettung dieses einen Mannes wichtiger als das ganze Dorf.
    Die gellenden Schmerzensschreie wurden mit einem Mal schwächer. Die Männer mit den Stangen und Harken packten zu und zerrten den Körper aus den glühenden Trümmern. Lewis wusste nicht, ob der Mann leblos oder nur ohnmächtig war, die geschwärzte Gestalt hing regungslos in den Armen der Retter. Als sie ihn vorübertrugen, sah Lewis im wirren Licht der Feuer die Brandwunden auf der Haut des Mannes, die schwarz und rot hervorsprangen und von denen sich sachter Rauch in Fäden kräuselte. Lewis bedeckte Mund und Nase mit der Hand, als ihn der Odor des Flammentodes erreichte, und voller Entsetzen schrak er zurück, als der gebrochene Blick aus den Augen des Mannes sich mit seinem kreuzte.
    Da stieß jemand Lewis an, ein Henkel drückte sich in seine Hand, nass schwappte es um seine Füße, und schon war er wieder ein Glied in der unermüdlichen Kette von Händen und Wassereimern, die das Feuer bekämpften.

    Nach langer Zeit, in der die stete Bewegung sich so seiner bemächtigt hatte, dass er nicht mehr an den schrecklichen Anblick des Toten dachte, bemerkte

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