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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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mit seinem plötzlichen Auftauchen einigermaßen überrumpelt hatte, kam Lewis erst jetzt zum Nachdenken. Wie seltsam, dass Goethe schon in so kurzer Zeit nach der Begegnung in Tiefurt wieder mit ihm zusammentraf. Zwar hatte er Lewis zum Mittwochsclub geladen, aber dies hier war beileibe keine geistige Gesprächsrunde, geschweige denn, dass es Mittwoch war.
    Lewis kniff die Augen zusammen. Das stete Schütteln des Rittes schien ihn zu verwirren, auch strengte die Dunkelheit seine Augen an. Es war kein rechtes Vergnügen, mitten in der Nacht in mörderischem Galopp durchs Weimarer Umland zu jagen, ohne zu wissen, wohin die Reise ging und warum Goethe ihn dabei im Schlepptau haben musste. Vielleicht war es das Beste, den Geheimrat offen zur Rede zu stellen. Lewis fand, er habe das Recht zu erfahren, was hier vor sich ging.
    Er stieß seinem Pferd die Hacken in die Weichen, um es noch weiter anzuspornen, und es gelang ihm tatsächlich, zu Goethe aufzuschließen. Wenn es ihm nun noch gelang, auf dem nicht sehr breiten Feldweg an Goethe vorbeizuziehen oder zumindest auf gleicher Höhe mit ihm zu reiten, dann könnte er eine gerechtfertigt empörte Frage hinüberrufen und um Erklärung bitten, nein, eine fordern!
    Lewis trieb sein Pferd weiter. Rechts und links schossen Bäumchen vorbei, die am Rande der Gräben zu beiden Seiten des Weges wuchsen. Er kam langsam immer näher an Goethe heran. Ob er schon einmal rufen sollte? Doch es war zweifelhaft, dass Goethe ihn durch das Hämmern der Hufe und den Wind, der ihm um die Ohren pfiff, würde hören können.
    Wieder hatte er sich um eine Armeslänge weiter herangeschoben. Zu allem Unglück stieg der Weg nun langsam an, so dass er zu seinem Mitleid die Anstrengungen seines Tieres noch weiter verstärken musste, und wiederum kam der flatternde Mantel Goethes näher, war schon fast zum Greifen nah.
    Plötzlich war der Scheitelpunkt der Kuppe erreicht, und der Weg fiel wieder ab, in eine weite Bodensenke hinein, auf deren Grund ein langgestreckter Wald lag. Lewis sah dies mit Bestürzung, als sein Pferd nach vorn schoss, bergab an Geschwindigkeit gewann und nun sogar Goethe überholte. Der wehende Mantel streifte ihn, ein leichter Stoß und ein Laut des Missmuts folgten. Lewis warf den Kopf zurück, konnte jedoch nicht erkennen, was sich wohl auf Goethes Gesicht abspielen mochte, und richtete den Blick gerade noch rechtzeitig wieder nach vorn, um zu sehen, wie der Waldrand rasend schnell näher kam. Der helle Streif des Weges wurde von der Düsternis verschluckt, die sich als schwarze Masse selbst vom dunklen Himmel abhob.
    Lewis zog sachte, dann immer stärker die Zügel an und brachte sein Tier zum Halten, als es einige Körperlängen in die Schatten des Waldes eingetaucht war. Um ihn herum verhallten die Hufschläge, und dann war es still.
    Lewis konnte sich nicht mehr entsinnen, wann er zum letzten Mal nächtens in einem Wald gewesen war, aber diese Lautlosigkeit schien ihm unnatürlich.
    Er wandte sich um. Jenseits der Stämme, wo das Licht des Mondes ungehindert auf den Weg fiel, hätte er Goethe heranreiten sehen müssen. Doch er vermochte ihn nicht einmal zu hören.
    Lewis zog sein Pferd am Zügel herum und ritt zum Waldrand zurück. Der Hufschlag verklang im Wald, und plötzlich konnte Lewis ein Rascheln aus dem Unterholz am Rande des Weges vernehmen. Mit einem Mal schrie auch ein Kauz von einem entfernten Baum hinab, und es war so still, dass er gar eine einsame Grille zirpen hörte.
    Lewis schüttelte den Kopf. Natürlich war der Wald mit allem, was darin lebte, verstummt, als er wie von Furien gehetzt hineingeritten war. Wie unsinnig, der Stille nun eine andere Bedeutung oder Ursache beizumessen.
    Allerdings, so fragte sich Lewis, nachdem er angespannt gelauscht und geschaut hatte, wo blieb Goethe? Mit Schrecken erinnerte sich Lewis, dass er den Geheimrat im Vorbeireiten gestreift hatte. Was, wenn dessen Pferd gescheut und ihn abgeworfen hätte? Lewis schoss es heiß den Nacken hinauf. Natürlich! Nur das konnte das Fehlen jeglicher Hufgeräusche erklären: Goethe lag mit gebrochenen Beinen und verrenkten Gliedern auf der Wegkuppe und verschied langsam und qualvoll, während er selbst dumm im Wald stand.
    Schnell stieß Lewis dem Pferd die Absätze in die Seiten und schoss aus dem Wald hinaus, die Kuppe hinauf. „Herr Goethe! Herr Geheimrat!“, rief er.
    Was, wenn es tatsächlich zur Katastrophe gekommen war? Einer der angesehensten Bürger der Stadt Weimar,

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