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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Lewis, wie es um ihn herum heller zu werden schien. Er fürchtete schon, es seien weitere Feuer ausgebrochen, doch ein Blick zum Himmel zeigte ihm, dass die aufgehende Sonne nun die zuvor vom Feuer gefärbten Wolken beschien. Mit dem Tagesanbruch war der Brand gelöscht. Doch kein Jubel erhob sich über den schwelenden Ruinen, allein Husten, Keuchen und schwaches Klagen.
    Lewis sah suchend umher, um in der Menge der rußigen Geschöpfe Goethe zu finden. Ungekannte, tiefe Ermüdung überfiel ihn und auch zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Deutschland das Gefühl, sich einsam in völliger Fremde zu befinden. Um ihn herum war kein bekanntes Gesicht, man mochte nicht einmal glauben, dass es sich bei diesen schwankenden Gestalten um Menschen handelte. Die alten Bäume, die im Ort verteilt gestanden hatten, ragten bar jeden Astes zum Himmel und ähnelten schwarzen Kaminen, aus denen das Feuer der Erde rauchte. Die hohlen Stämme glühten von innen heraus.
    Lewis fand Goethe schließlich, wie er flüsternd und mit rauer Stimme zu einem Mann sprach. Goethe entdeckte Lewis und winkte ihn heran. Mit schmerzenden Sohlen schleppte Lewis sich hinüber. Er strauchelte, und Goethe fing ihn auf, legte stützend einen Arm um Lewis’ zitternde Schultern.
    „Wacker, junger Lewis“, sagte er und hustete ein wenig. „Der gute Lienhard hier wird uns Logis in seinem Haus gewähren.“
    Der Mann, dessen Schopf und Bart wohl weiß gewesen sein mochten, jetzt aber durch den Ruß schwarz überpudert waren, nickte schwach, und seine von Anstrengung und Müdigkeit rotgeäderten Augen blickten freundlich. „Ich kenne den Herrn Geheimrat schon lange. Er war oft mit seiner Hoheit dem Herzog und dessen Husaren hier.“ Er wandte sich zum Gehen, blieb auf einen Wink Goethes aber stehen und ergriff Lewis’ andere Schulter.
    „Very kind, dear Sirs“, murmelte der und ließ sich dabei helfen, langsam einen Fuß vor den anderen zu setzen, um das schwarzgebrannte Herz des Dorfes zum Ortsrand hin zu verlassen.
    Schließlich tauchte vor seinen rußblinden, sonnengeblendeten Augen ein Haus auf, mit hellem Putz, das nach all den schwarzen Ruinen so fröhlich und lebendig schien, dass Lewis es mit schwach erhobener Hand grüßte.
    Lienhard und Goethe sahen sich kurz an, als Lewis matt und unverständlich englische Halbsätze zu murmeln begann. Dem jungen Engländer fielen immer wieder die Augen zu, und das letzte, was er bewusst wahrnahm, war das Niedersinken auf ein weiches Lager, das alle Annehmlichkeiten hatte, die er sich in diesem Moment wünschte: keine Hitze, keine Flammen und keinen Rauch.
    Lewis stürzte von einem zum anderen Augenblick in einen ohnmachtsähnlichen Schlaf, doch das, was in diesen Stunden dennoch wach blieb in ihm, durchlebte erneut auf schreckliche Weise die Höllenbilder der Nacht.
    Die Szenerie war seltsam verändert: Statt der rußschwarzen Ruinen des niedergebrannten Dorfs waren um ihn die moderdunklen Mauern eines unterirdischen Verlieses, und doch herrschte eine drückende Hitze, die mit schwefligen Dünsten durchzogen war, welche das Atmen auf beklemmende Weise erschwerten. Lewis sah vor sich einen brennenden Körper, doch es war nicht der jenes armen Bauern, der in den Trümmern seines Hauses einen feurigen Tod gefunden hatte. Es war ein brennender Leib, der die Gestalt eines Engels hatte, und er trug das Merkmal eines Blitzes des Ewigen. Ein verbranntes Braun war über alle Züge gebreitet, seine Hände und Füße waren krallenbewehrt. Aus seinen Augen strahlte ein düsteres Feuer, welches selbst das standhafteste Herz mit Schauder erfüllt hätte. Auf den überaus großen Schultern trug er große, schwarze Flügel, statt der Haare hingen von seinem Haupt lebendige Schlangen herab, die sich um seine Stirn unter grässlichem Zischen bewegten. In der einen Hand hielt er eine Pergamentrolle, in der anderen eine eherne Feder. Lewis, in seiner Traumgestalt, spürte, wie sein Blut zu Eis wurde, während er dieses Wesen betrachtete. Der Flammende richtete den Blick auf Lewis, reichte ihm das Pergament, und Lewis nahm es. Dann hob die Gestalt die eherne Feder und stach mit ihr in eine Ader seiner linken Hand, und die Feder fasste das ausströmende Blut. Der Flammende reichte Lewis die Feder, und der ergriff sie. Dann begann er zu schreiben. Wort um Wort, Zeile um Zeile fügte er aneinander, und je mehr er schrieb, wie rasend und mit Schweiß, Ruß und Schwefel auf der Stirn, desto deutlicher erkannte er, dass das, was er

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