Der Mönch und die Jüdin
sich, er habe angeblich schon den Vorgängern des jetzigen Erzbischofs als unerschrockener Ritter gedient und dann für viele Jahre im Heiligen Land gelebt, wo er einem Ritterorden angehört habe.
Nun rutschte Konrad nervös auf seinem harten, unbequemen Stuhl hin und her und fragte sich, welche Zukunft Erzbischof Arnold wohl für sie plante. Das Kloster war einst durch die Grafen von Sayn erbaut worden, vor vielen Jahren aber im Zuge der Kriege, die der große Kölner Erzbischof Friedrich von Schwarzenberg gegen die Sayner geführt hatte, an das Erzbistum gefallen. Aber das war schon geschehen, lange bevor Konrad hierhergekommen war.
»Ich will euch nicht länger auf die Folter spannen«, sagte Anselm, obwohl er die Tatsache, dass er genau dies seit seiner Rückkehr gestern getan hatte, sichtlich zu genießen schien. »Natürlich hat Erzbischof Arnold mich bereits im persönlichen Gespräch über alle Entscheidungen informiert, die er bezüglich eures Klosters getroffen hat.« Konrad fiel auf, dass Anselm euer Kloster gesagt hatte. Fühlte er sich selbst nicht mehr ihrer Gemeinschaft zugehörig? Wollte er sie schon wieder verlassen?
Insgeheim hatte Konrad befürchtet, dass der Erzbischof Anselm, diesen hochfahrenden und schwer zu verstehenden Menschen, zum neuen Abt ernennen würde. Doch er wischte diesen Gedanken schnell beiseite, denn Anselm sprach weiter: »Um aber die Form zu wahren – auf solche Dinge hat der selige Balduin ja stets großen Wert gelegt – breche ich das Siegel in eurem Beisein.« Er öffnete es und wandte sich dann, zu dessen Überraschung, Konrad zu. »Du bist ja auch endlich aufgewacht. Los, lies vor!«
Er gab der Pergamentrolle einen gutgezielten Schubs, so dass sie über den Tisch auf Konrad zuglitt wie ein kleiner Speer. Sie blieb schließlich zwischen Matthäus und Konrad auf der rissigen, abgewetzten Tischplatte liegen. »Ich … soll …«, stammelte Konrad.
»Lesen kannst du doch wohl, oder nicht? Zu irgendwas muss die Schinderei doch nütze gewesen sein, mit der Fulbert dich jahrelang traktiert hat.« Anselm warf dem Bibliothekar einen verächtlichen Blick zu, den dieser ernst und kühl erwiderte.
Zögernd nahm Konrad das Pergament. Unter den Blicken aller vierzehn Mönche, die nun auf ihm ruhten, fühlte er sich sehr unbehaglich. Nur Matthäus lächelte ihm aufmunternd zu. Der Schreiber in der erzbischöflichen Kanzlei hatte offensichtlich unter Zeitdruck gestanden. Seine Handschrift war an manchen Stellen fast unleserlich. Konrad begann den lateinischen Text vorzulesen, zunächst stockend, dann immer sicherer. Das Lesen fiel ihm leicht, er liebte die Buchstaben und das Wunder, wenn gesprochene Worte zu Schrift wurden, so dass sie noch Generationen später vorgelesen und als hörbare Sprache wieder lebendig werden konnten.
»Arnold I. von Jülich, durch Gottes Gnade Erzbischof zu Köln: Mit tiefstem Bedauern haben wir vom Dahinscheiden unseres ehrwürdigen Bruders, Abt Balduin von Wied, erfahren, bei dem wir unser Neuwerther Kloster während so vieler Jahre in treuen, liebenden Händen wussten. In der uns obliegenden Sorge für die barmherzigen Brüder dieses Klosters haben wir den Entschluss gefasst, den ehrwürdigen geliebten Bruder Gilbert von Nogent, einst hochverdienter Magister theologicae in Paris und gerade von einem einjährigen Aufenthalt in London zurückgekehrt, mit der Nachfolge des seligen Balduin zu betrauen. Wir sind gewiss, dass die barmherzigen Brüder von Neuwerth unter ihrem neuen Abt den Dienst im Auftrage Gottes, des Allmächtigen, mit der gleichen rühmlichen Beflissenheit versehen werden, wie es bislang unter Abt Balduin vorbildlich geschah. Euer neuer Abt Gilbert wird zusätzlich als Lehrer an unserer Domschule hier in Köln wirken, so dass er nur etwa sechs Monate im Jahr unter euch weilen wird. In der übrigen Zeit wird der Prior ihn vertreten. Da wir unseren Bruder Anselm von Berg von seinem Dienst als Prior des Klosters zu Neuwerth abberufen, um ihn mit anderen Pflichten zu betrauen, ordnen wir Kraft unseres Amtes an, dass der ehrwürdige Bruder Matthäus zusätzlich zu seiner Aufgabe als Küchen- und Kellermeister, die er seit Jahren vorbildlich versieht, euer neuer Prior sein soll.«
Blicke flogen hin und her, und alle tuschelten aufgeregt durcheinander, bis Anselm von Berg heftig mit der flachen Hand auf den Tisch schlug. »Ihr habt gehört, was der Erzbischof befohlen hat! Von nun an ist Matthäus euer Prior. Bis Gilbert von Nogent
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