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Der Moloch: Roman (German Edition)

Der Moloch: Roman (German Edition)

Titel: Der Moloch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stella Gemmell
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war tot, und sie war eine junge Frau in einer verwüsteten Stadt voller Soldaten. Sie musste auch an ihren Bruder denken. An Evan dachte sie zwar voller Verlangen, aber ihr war klar geworden, dass der Krieger ihr kein verlässlicher Beschützer sein konnte. Sie würde Archanges Hilfe dankbar annehmen.
    So fuhren sie nun, vorn und hinten von einer Eskorte begleitet, in einer sechsspännigen Kutsche durch die Cité. Sie zogen in östlicher Richtung auf einen großen Berg zu, den man den Schild der Freiheit nannte. Emly streckte den Kopf durchs Fenster. Dieser Teil der Stadt war von den Fluten verschont geblieben, und die Leute schleppten ihre Besitztümer auf dem Rücken, auf Eseln oder alten Karren durch die Gegend. Viele schauten aus kalten oder neidischen Augen zur kaiserlichen Kutsche hoch. Sie vermutete, dass diese Menschen im Begriff waren, die besetzte Cité zu verlassen, weil jeder zu wissen schien, wohin er wollte. Einige gingen aber in diese Richtung und andere in die andere – ohne dass darin eine Regelmäßigkeit oder ein gemeinsames Ziel zu erkennen gewesen wäre.
    Sie blickte hoch. Auf den steilen Hängen des Schilds leuchtete die Nachmittagssonne auf den Palästen, die in den dunklen Waldgebieten verstreut lagen. Sie konnte eine gewundene, helle Straße ausmachen, die stetig immer höher kletterte, manchmal zu sehen war und dann wieder zwischen den Bäumen verschwand. Emly frage sich, ob sie wohl dort hinaufreisten. Sie hoffte es. Sie verrenkte sich den Hals, doch den Berggipfel konnte sie nicht erkennen. Ob es wohl ganz oben auch einen Palast gibt?, fragte sie sich. Lebt dort vielleicht Archange?
    Sie überlegte, ob sie Evan benachrichtigen könnte, aber er war in Archanges Nähe geblieben, seit sie den Roten Palast verlassen hatten, deshalb vermutete sie, dass er wusste, wo sie sich befand. Außerdem sollte es in zwei Tagen für Bartellus ein Heldenbegräbnis geben, an dem Evan mit Sicherheit teilnehmen würde.
    Emly hörte, wie sich donnerndes Hufgetrappel näherte. Sie spähte hinaus. Die Männer und ihre Pferde, eine kleine Armee offenbar, trugen graue Rüstungen. Sie wagte kaum zu atmen, als ihr klar wurde, dass dies der Feind war. Sie zog sich in die Kutsche zurück und schaute ängstlich zu Archange. Die alte Frau schien friedlich zu schlafen. Ihr Kopf lehnte auf einem weichen Kissen in einer Ecke der Kutsche. » Hab keine Angst«, sagte sie unvermittelt und ohne die Augen aufzuschlagen. » Sie werden dir nichts tun.« Dann richtete sie sich auf, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und zog sich den Kragen ihres Gewands zurecht.
    Beruhigt schaute Emly wieder hinaus und sah, dass sich ein Reiter aus dem Pulk der Armee gelöst hatte und jetzt mit dem Befehlshaber von Archanges Eskorte redete. Die alte Frau wartete einen kurzen Moment ungeduldig, dann beugte sie sich über Emly hinweg zum Fenster. » General!«, tief sie laut. Die Männer drehten sich zu ihr um. » Lasst ihn durch, ihr Hohlköpfe!«
    Der Reiter war in dunkle Gewänder gehüllt, die deutliche Spuren der Reise aufwiesen. Es musste wohl eine Art Uniform sein, dachte Emly, denn auf der Brust war ein Emblem zu sehen. Er war alt, hatte graues, ungekämmtes Haar und sah aus, als hätte er seit einer Woche nicht geschlafen. Er schien unbewaffnet.
    » Sei gegrüßt«, sagte er und kam an die Tür der Kutsche. Er öffnete den Verschlag, blieb aber draußen im Straßenstaub stehen. Seine Stimme klang so rau, als hätte er Sand eingeatmet, aber in Emlys Ohren klang er nicht wie ein Fremder.
    » Hayden«, entgegnete Archange. Sie streckte ihren mageren Arm aus, und er berührte ihre blassen Finger mit seinen verdreckten Stummelfingern.
    » Ich muss dir leider mitteilen, dass dein Bruder tot ist«, eröffnete sie ihm unverblümt und ohne jede Spur von Bedauern.
    » Das hatte ich bereits befürchtet«, erwiderte er scheinbar gefasst. Emly bemerkte jedoch das Aufblitzen in seinem Blick. » Wie ist er gestorben?«
    » Marcellus hat ihn getötet.«
    Der Soldat nickte. » Das ist angemessen«, sagte er. » Marcellus ist auch tot, heißt es.«
    » Er hat sich selbst getötet.«
    Der Soldat runzelte die Stirn. » Marcellus ist der Letzte, von dem ich gedacht hätte, er würde sich selbst das Leben nehmen.«
    Sie zuckte mit den Schultern. » Du kanntest ihn eben nicht gut. Ich habe mit dem Soldaten gesprochen, der bei ihm war. Für mich ist offenkundig, dass er den Tod selbst gewählt hat.«
    Der Mann sagte nichts, und einen Moment später fuhr

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