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Der Monat vor dem Mord

Der Monat vor dem Mord

Titel: Der Monat vor dem Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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an? »Ich habe noch etwas zu besorgen.«
    »Schön«, sagte Ocker. »Aber vergiss nicht, das Zeug da, das giftige, wegzutun. Schließ’ es doch ein!«
    »Ja, ja«, sagte Horstmann ungeduldig. Er wartete, bis Ocker gegangen war, dann ging er ans Telefon.
    Zunächst war Karins Nummer dauernd besetzt, aber dann meldete sie sich mürrisch.
    »Ich bin es«, sagte Horstmann. »Kann ich kommen?«
    »Ach du«, sagte Karin. »Nein.«
    »Aber wieso nicht? Dein Lokal ist ein öffentliches Lokal.« Er dachte, sie mache einen Scherz.
    »Ich bin heute Abend nicht da«, sagte sie.
    Das ging nicht, das ging entschieden zu weit. »Hör mal«, sagte Horstmann erregt, »das kannst du mir nicht antun.«
    »Aber ich bin verabredet!«
    »Ist es ein Mann?«, fragte er. Es klang kindlich.
    »Es ist ein Ehepaar«, antwortete sie kühl.
    Horstmann protestierte wieder. »Du kannst doch nicht einfach ...«
    »Über mich selbst verfügen?«, fragte sie ironisch. »Das kann ich nicht nur, das tue ich immer. Du hast nichts begriffen, gar nichts. Rufe in den nächsten Tagen mal an.« Jetzt versuchte sie, ihre Ironie zu überspielen. »Ja«, sagte Horstmann. Er hatte nicht mehr Kraft in seiner Stimme als ein kleiner Junge mit entzündeten Mandeln. So war es also. Er konnte sie haben, aber nur, wenn sie zufällig Zeit hatte. Und auch nur in der Art, wie sie es wollte. Sei nicht ungerecht, dachte er, sei jetzt nicht ungerecht. Sie ist ganz große Klasse. Du kannstnicht erwarten, dass sie wegen einer Nacht alle ihre Freunde und Bekannten zum Teufel schickt.
    Aber er wurde mit Karins Ironie und ihrer Weigerung nicht fertig. Er war tief gekränkt.
    Es war jetzt neunzehn Uhr, Sonntagabend neunzehn Uhr. Horstmann bewegte sich träge in seinem Labor und fragte sich, was für einen Sinn es habe, nach Hause zu fahren. Möglicherweise war nicht nur Harald verschwunden, möglicherweise gab es neue Probleme.
    Ein Mann sagte hinter ihm: »Ich habe darauf gewartet, Sie einmal allein zu erwischen.«
    Horstmann war einen Augenblick erschrocken, weil er den Mann nicht gehört hatte. Es war Binder.
    »Ach Sie«, sagte Horstmann, »haben Sie etwa auch am Sonntag zu arbeiten?«
    »Manchmal«, sagte Binder. Vielleicht war er fünfundvierzig oder fünfzig Jahre alt. Das spielte keine Rolle. Eine Rolle spielte nur, dass man freundlich war zu ihm, um im Notfall einen Vorschuss zu bekommen. Und Horstmann musste aus einem viel schwerwiegenderen Grund freundlich sein.
    »Was tun Sie hier bei uns Seifensiedern?«, fragte er. Es war doch besser, nach Hause zu fahren, er fühlte sich müde. Ganz gleich, was Binder wollte, Horstmann war müde.
    »Ich habe Ihren Wagen gesehen und das Licht hier.«
    Irgend etwas an Binder stimmte nicht, aber war es wert, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? »Ich wollte gerade nach Hause fahren«, sagte Horstmann abweisend.
    »Rauchen wir noch eine Zigarette«, sagte Binder. »Haben Sie die Hunderttausend schon bekommen?«
    »Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich. Ich habe meine Bank nicht gefragt.«
    »Ich habe das Geld rausgeschickt. Ihre Bank müsste am Montag die Anweisung haben.«
    »Schon gut«, sagte Horstmann. »Ich muss jetzt gehen.«
    »Nein«, sagte Binder und lächelte.
    Horstmann wollte unhöflich werden, aber er wusste genau, wer Binder war: ein mieser, kleiner Vertreter, der selten die Chance bekam, ohne den Chef über ein paar tausend Mark zu verfügen. Das hatte ihn despotisch gemacht und ihm außerdem die Notwendigkeit suggeriert, man müsse allen Mitarbeitern von Zeit zu Zeit mal auf die Pfoten sehen. Wahrscheinlich gab es in jeder Fabrik so eine miese Type, aber Binder war weiß Gott die Krone dieser Menschen. Und Binder war offenbar Werkspion, so kurios das klang.
    Horstmann sagte also: »Ich verstehe das nicht. Wollen Sie mit mir ein Bier trinken?«
    »Man kann das auch bei einem Bier besprechen«, sagte Binder.
    »Also gut. Ocker hat meistens was da.« Horstmann ging hinüber in Ockers Labor, in dem es ständig nach Leichen roch, weil Ocker vergaß, nach den Tiersektionen die Fenster zu öffnen. »Hier sind zwei Flaschen.«
    »Sehr schön«, sagte Binder. »Was werden Sie mit den Hunderttausend anfangen?«
    »Mein Haus bezahlen. Was sonst?«
    »Ihr Haus ist bezahlt.«
    Horstmann spürte so etwas wie Furcht, aber es blieb ihm genügend Kühle, um zu antworten. »Was geht Sie das an?«
    »Eigentlich nichts«, sagte Binder. »Aber ich hab’ ein gewisses Interesse an Ihnen. Das wissen Sie doch.«
    Horstmann entgegnete rasch: »Ich

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