Der Mond im See
Sonnenbrille trug sie natürlich auch.
»Ich würde mich sogar bereiterklären, euch zu begleiten«, fügte Yves hinzu.
»Okay«, sagte Bill. »Wann fahren wir?«
Annabelle lachte. »Ich war noch nie in Amerika«, sagte sie träumerisch.
Darauf begann Bill sein Amerika, die Amerikaner und alles, was sie dort erwarten würde, in leuchtenden Farben zu schildern.
Ich hörte mir das eine Weile an, dann stand ich auf und erklärte übergangslos, daß ich jetzt ins Wasser ginge. Und fragte, direkt an Annabelle gerichtet:
»Kommst du mit?«
»Oh, Darling, ich habe gerade vorhin erst gebadet.«
Darling sagte sie bereits zu mir, sie war auf dem besten Wege, sich auf Amerika und die Amerikaner einzustellen.
»Okay«, sagte ich nun auch und stürzte mich in die Fluten. Ich schwamm ziemlich weit hinaus, mindestens so weit, wie Ilona vom Ufer entfernt gewesen war, als ich sie das erstemal sah. Wo war sie eigentlich? Mit ihr hatte ich heute schwimmen wollen, aber sie hatte mich wieder versetzt.
Als ich zurück auf das Land zusteuerte, kam mir Annabelle entgegen.
»Welche Ehre!« sagte ich, und sie lachte und prustete ein wenig. Wie in lange vergangenen Zeiten schwammen wir nebeneinander uferwärts. Damals – es war zu lange her. Heute war einfach alles anders.
»Du fliegst also demnächst nach Amerika?«
»Ach, das ist doch alles Unsinn. Was man halt so daherredet.«
»Ein netter Mann, dieser Bill.«
»Doch, das ist er. Er sieht gut aus, nicht? Und er ist sehr reich.«
»So?«
»Ja. Sein Vater hat Ölquellen. Du weißt, was das bedeutet.«
»Auf jeden Fall einige Milliönchen.«
Annabelle machte ein geradezu andächtiges Gesicht.
»Nun also«, sagte ich leichthin. »Wäre das nicht etwas für dich?«
»Aber ich bitte dich, ich kenne ihn gerade seit zwei Tagen. Und außerdem ist er verheiratet.«
»Ach, das ist doch für einen Amerikaner mit Öl kein Hinderungsgrund.«
Annabelle legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben.
»Du gibst mich sehr leicht auf, wie?«
»Nicht ich dich, aber du mich. Und es wäre nicht das erstemal. Und der Grund ist immer derselbe.«
Darauf sagte sie nichts. Dafür kam jetzt in vollendetem Stil der Ölprinz auf uns zugekrault, umkreiste uns, tauchte unter uns weg und was dergleichen Kunststücke mehr waren.
Annabelle lachte wieder. Drüben am Ufer saß einsam und mickrig der Mann namens Yves, den ich für meinen Nebenbuhler gehalten hatte und auf den ich eifersüchtig gewesen war. Welche Rolle spielte er eigentlich? Mir fiel ein, was Renate am Abend zuvor gesagt hatte. Ob er Annabelle dem Amerikaner absichtlich zugeführt hatte, erwartete er sich einen Nutzen davon? Schon möglich. Wenn es ihm gelang, eine gute Freundin mit einem Millionär zu verheiraten, konnte das für ihn ganz brauchbar sein. Was wußte ich von den Praktiken dieser verdrehten Society. War mir auch egal. Sollten sie tun, was sie mochten. Auch Annabelle. Sie war alt genug, um zu wissen, welchen Weg sie gehen wollte. Ich konnte ihr Liebe bieten, echte, herrliche Liebe, die nicht nur von heute und gestern war, ein gesichertes Leben, sogar einen gewissen Luxus, aber natürlich nicht annähernd das, was ein Ölmillionär zu bieten hatte. Sie mußte selbst entscheiden, was sie wollte. Ich machte mir keine Illusionen: Meine Chancen standen schlecht.
Gemessen an Max aus Winterthur, war Bill Jackson vermutlich ein sehr attraktiver Mann, von dem Geld mal abgesehen. Blieb die Frage, ob er eigentlich wollte. Na, mein Kummer war das nicht. Eins wurde mir jedoch klar: Kämpfen um Annabelle würde ich nicht.
Ich blieb noch eine Zigarettenlänge bei den dreien sitzen, dann verabschiedete ich mich.
»Ach ja«, meinte Annabelle anzüglich, »du hast ja heute die Dame deines Herzens noch nicht gesehen. Übrigens will sie übermorgen abreisen. Ich nehme an, das wird dich sehr betrüben.«
Ich sah sie nur an und schwieg. Sie wurde etwas verlegen.
»Kommst du heute abend an die Bar?« fragte sie rasch. »Oder essen wir zusammen?«
»Ich weiß noch nicht«, sagte ich. »Vielleicht komme ich auf einen Drink. So long.«
Ich zog mich an und ging wieder hinauf zum Schloß. Amigo war verschwunden. Und im Rosengarten war die Großmama eingenickt. Ob wir heute noch zu den Seerosen gehen konnten, war fraglich. Zwar war der Himmel über uns noch blau. Aber der dunkle Streifen im Norden, den ich mittags schon gesehen hatte, war zu einer grauschwarzen Wand geworden. Vielleicht kam sie näher, vielleicht auch nicht, das konnte
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