Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
die andere Hälfte der erschöpften Soldaten das Lager. Die allgemeine Auszehrung rührte weniger von den eigentlichen körperlichen Anstrengungen her, sondern mehr von den ungünstigen Begleitumständen. Die minzigen, ätherischen Öle, die auf dieser Welt die Lüfte erfüllten und die für irdische Besucher meist als angenehm empfunden wurden, waren für Tarz Bargons Mannschaft, die ja keineswegs aus Menschen bestand, Ursache für wiederkehrende Hustenanfälle und Bindehautentzündungen. Bevor der medizinische Offizier ein hilfreiches Gegenmittel parat hatte, war ein junger Alant an den Folgen dieses schädlichen Agens erblindet. Wenigstens handelte es sich um einen jungen Wirker der Kräfte, der unter Einsatz seiner besonderen Fähigkeiten das Augenlicht in funktioneller Hinsicht ersetzen konnte.
Auch die Mittel, um die Ernährung bekömmlich zu machen, wirkten nur mit Einschränkungen. Je nach Dosierung und genauer Art der verwendeten Speisen traten Durchfälle, Verstopfungen und Magenschmerzen auf, und ein allgemeines Schwächegefühl machte sich allenthalben breit.
Die am meisten gefürchtete Gefahr schien dagegen überhaupt nicht real zu sein: Aus der Abwesenheit von Quellen der Kräfte auf H´Veredy schienen sich keine negativen Auswirkungen zu ergeben, auch wenn man nicht sicher sein konnte, dass das Schwächegefühl nicht dadurch gefördert wurde.
Inzwischen ist klar, dass wir mit unserem eigentlichen Ziel gescheitert sind. Wir können nicht erwarten, an diesem Ort die wesentlichen fehlenden Erkenntnisse zu gewinnen. Begon Veraz macht gerade eine Pause. Vielleicht ist sie zu einer Lagebesprechung bereit, dachte Tarz Bargon.
„Hochgeachtete Begon Veraz? Hätten Sie gerade Zeit und Muße sich mit mir zu besprechen?“
Die Phänotyrikerin ließ sich nicht lange bitten. Da es den guten Sitten widersprach, sich an einem öffentlichen Ort zu unterhalten, und hier keine festen Räume zur Verfügung standen, kletterten die Beiden schweigend ein Stückchen in den benachbarten Dschungel hinein. Tarz Bargon hatte sein Schwert gezogen und achtete genau auf die Umgebung, um dabei nicht irgendeiner lauernden Gefahr zum Opfer zu fallen. Auf einem dicken Ast ließen sie sich nieder. Begon Veraz kratzte sich an den breiten, verhornten Lippen und beschattete damit gleichzeitig ihre strapazierten Augen. „Ich wollte Sie selbst schon ansprechen, Bargon“, erklärte sie offen. „Ich habe bemerkt, dass die meisten Ihrer Leute davon ausgehen, dass wir nach Hause gehen, sobald wir diese letzte Stelle untersucht haben. Ich glaube aber nicht, dass dies die klügste Entscheidung wäre.“
„Sie wollen also weitermachen? Dann können Sie eigentlich nur im Sinn haben, unsere Zurückhaltung den Eingeborenen gegenüber aufzugeben und Kontakt aufzunehmen, um so an zusätzliche Daten zu weiteren Phänomenen zu kommen“, vermutete Tarz Bargon.
„Nicht ganz!“, korrigierte ihn Veraz. „Das würde uns nicht viel weiterbringen, jedenfalls nicht rasch genug. Erinnern Sie sich an die Beratungen darüber, wie wir unsere Beobachtungsschärfe steigern können?“
„Ganz allgemein gesprochen: Ja, natürlich. Worauf wollen Sie hinaus, verehrte Begon Veraz?“, wollte Bargon wissen.
„Auf folgendes, sehr geehrter Tarz Bargon:“, erklärte die Wissenschaftlerin, „Die Genauigkeit nimmt um ein vielfaches zu, wenn nicht nur Beobachtungen von einer, sondern von mehreren Welten aus gemacht werden. An diese allgemeine Regel zur transweltlichen Observation mittels der Kräfte erinnern Sie sich gewiss noch. Durch die unerklärliche Unschärfe kommen wir mit den Daten von zwei Welten nicht mehr aus. Auf die dritte der Welten kommen wir wegen der größeren phänotyrischen Distanz und auch wegen des Gradienten nicht. Also bleibt uns nur die Möglichkeit, jemanden zu befragen, der von der Erde in diese Welt gelangt ist. So jemand kann nicht nur von profanen Beobachtungen über die Gestalt eines Phänomens, nämlich des eigenen Weltenwechsels, berichten, sondern das auch noch von beiden Seiten aus und mit dem persönlichen Eindruck vom Übergang gewürzt. Wir müssen also Erdenmenschen aufspüren und befragen. So kommen wir weiter!“
Tarz Bargon hob die Stimme, um das Fauchen zweier in der Nähe kämpfender Warane zu übertönen. „Darüber muss ich nachdenken“, antwortete er grüblerisch. „Kontakt mit Erdenmenschen zu suchen, wird uns nicht gelingen, ohne dabei auf Einheimische zu stoßen. Die Einen wie die Anderen dürften aber
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