Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Selbstredend war Katja die Schnellste dabei, die Sprache der Einheimischen zu lernen, obgleich sie sie nach den Aussagen der Pilchers verabscheute. Sie erschien ihr zu emotional beladen und damit irrational. All das war absehbar gewesen, als Lena ihre Gruppe wieder auf den Berg geführt hatte.
Obwohl der ehemalige Kapitän einen hervorragenden, kurzen Transportweg ausgemacht hatte, blieb der Transport der Warenlieferungen extrem aufwendig, solange Lena daran keine Einheimischen beteiligen konnte. Das Konzept, Waren mit dem Fallschirm abzuwerfen, funktionierte zu ihrem Missfallen nur leidlich. Der heikelste Moment blieb der Abwurf, da man Pakete mit geöffnetem Fallschirm in der Anfangsstrecke nicht rollen konnte. Daher mussten sie bei diesen Ladungen auf einen heftigeren Windstoß warten. Die Gefahr, mit in die Tiefe gerissen zu werden, blieb immens. Leichtere Pakete ohne zerbrechlichen Inhalt, wie die im Flugzeug in Massen vorhandene Kleidung, schnürten sie in reichlich Seil ein, um sie zu schützen, und rollten sie dennoch einfach so hinab. Seile und Verpackungsmaterialien wurden auf dem Berg bald zur Mangelware. Lena hielt, um sich nicht von ihrer Höhenangst besiegen zu lassen eisern daran fest, sich an den Abwurfaktionen zu beteiligen. Mehr als einmal saß sie nachher bleich und zitternd abseits. Aber da der Aufstieg nun einmal auch nicht vollkommen ohne Problemstellen war, gestand auch der mittleidgeplagte Alf ein, dass dies letztlich Lenas Sicherheit diente.
Immerhin mussten sie bald nicht mehr immer wieder den Berg hinabklettern, um die Pakete in das Kontor zu bringen. Das übernahm bald der Fischer Caadil, der seitdem selten seinem eigenen Beruf nachging und festes Mitglied der wachsenden Handelsgesellschaft wurde. Lena, Alf und Rolf lebten seit diesem Arrangement permanent auf dem Berg und waren kaum mehr an den Ereignissen in der Geschäftszentrale beteiligt. Gelegentlich schickte ihnen Katja wenigstens Sven Richardson hinauf, um in Kontakt zu bleiben und ihnen allerlei Dinge zu bringen, die sie gebrauchen konnten. Medizin. Vokabellisten. Kurze Briefe von Katja. Einheimisches Naschwerk für die Moral. Da Richardson sehr sparsam mit Informationen umging, machte er sich nicht unbedingt beliebt. Er sagte zwar immer irgendetwas zur Sache, wenn er gefragt wurde, doch hatte er eine entnervende Art, sich so vage auszudrücken, dass Lena ihn am liebsten von der nächsten Klippe gestoßen hätte. W enn ich ihn dann unterwegs beim Stürzen gefragt hätte, ob er sich fürchtet, hätte er immer noch irgendwas Ausweichendes wie „möglicherweise“, gesagt, dachte Lena verdrossen.
Tatsächlich hätten sie von ihm nicht einmal erfahren, dass er, nachdem er von seinem Erkundungsauftrag zurückgekehrt war, unmittelbar eine Liebesbeziehung mit Katja begonnen hatte. Davon wussten sie nur, weil Katja in ihren Briefen eine Andeutung gemacht hatte: „Lena, da ich die paar übrigen Kondome jetzt alle selbst brauche, schicke ich dir ein Verhütungsmittel mit, das unser Doktor empfohlen hat. Einen Zettel mit der Dosierungsanleitung habe ich in das Päckchen getan.“
Immerhin war Svens Ankunft trotzdem immer ein Grund zur Freude, da er der einzige Mensch war, den sie sonst noch zu Gesicht bekamen. In solchen Situationen ist sogar ein Langweiler besser als gar niemand. Somit war die Begeisterung sehr eingeschränkt als Richardson ihnen bei seinem dritten Besuch einen Signalspiegel überreichte und erklärte, von jetzt an werde die Kommunikation darüber laufen.
„Katja will auf jeden Fall, dass ihr noch einige Tage hier oben bleibt. Wir haben eine größere Bestellung über Aluminiumblech erhalten. Mit den großen Blechscheren, die ich mitgebracht habe, dürfte der Flugzeugrumpf kein besonderes Problem mehr darstellen. Die Legierung ist nicht einmal 1,5 Millimeter dick. Fangt am Heck an, das liegt tiefer. Dann dringt die Witterung nicht in die restliche Maschine ein. Außerdem will Katja, dass ihr alle Kabelstränge, die über einen Meter lang sind, beiseitelegt und erst mal hier oben lasst. Sie dürfen nicht mehr zerschnitten werden“, gab Richardson wieder einmal Katjas Order weiter.
Lena zischte unwillig und funkelte Sven böse an. Dann erinnerte sie sich aber daran, dass sie sich schon viel zu oft im Umgangston vergriffen hatte und versuchte sich betont vernünftig auszudrücken: „Pass mal auf, Sven. Das ist alles schön und gut. Wir langweilen uns hier oben ja nicht gerade, dazu ist das eine viel zu heftige
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