Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Ufers war, wovon sie nichts ahnten, inzwischen ein fester Anleger für das ehemalige Fischerboot und ein kleiner hölzerner Schuppen errichtet worden. Darin konnten die Waren vor der Verschiffung über den See gereinigt und getrocknet werden. An dem nagelneuen Kai warteten nicht nur die Fischer auf sie, die sie eigentlich abholen sollten, sondern auch Katja, Sven, die Pilchers und verschiedene Einheimische, die sie noch nicht kannten. Jetzt wissen wir, warum unsere drei tapferen Abenteurer überrascht waren.
Die Wartenden staunten ihrerseits nicht schlecht, als sie sahen, was die Neuankömmlinge mit sich schleppten. Lena hatte darauf bestanden, dass sie den intakten Oberkörper ihres ´Gegners´ als Trophäe mitnahmen. Sie hatten Stunden darauf verwendet, einen großen Teil des Inhalts aus dem Panzer herauszuholen. Schließlich wurden Kopf, Prothorax und Fangbeine dadurch so weit von ihrem Ballast befreit, dass sie in der Lage waren, diese Teile hinter sich herzuschleifen.
„Es ist gut, zu wissen, dass ihr UNSEREN Tafelberg so wirksam verteidigt“, begrüßte sie Katja mit freudiger Stimme.
Lena genoss das große Hallo, die vielen Umarmungen und selbst die Freudentränen. Nur die Beamten der Stadt, die mitgekommen waren, um die genauen Grenzen des von Katja und ihren Leuten beanspruchte Gebiets abzustecken, zeigten sich verdattert. Sie wurden ebenfalls stürmisch und emotional begrüßt, einfach nur, weil sie auch Menschen waren.
Später wurden sie zurück über den See gefahren und die Mitglieder der Handelkompanie blieben erst mal am Ufer zurück. Katja hatte große Moskitonetze aufspannen lassen und so war es durchaus möglich, hier gemeinsam ein unbeschwertes Fest zu feiern. Auch Benthan, der ´Doktor´ und der jüngere der als Handlanger eingestellten Einheimischen, Velinas, waren mit von der Partie. Jetzt hatten sie ein Festmahl vor sich, das aus den Köstlichkeiten bestand, die die einheimische Küche bot. Für die irdischen Besucher spielte es keine große Rolle, dass keines der Nahrungsmittel einem Einheimischen als Spezialität gegolten hätte. Katja hatte vielmehr darauf geachtet, dass hunderte verschiedener Obst und Gemüsesorten, Tees, und Säfte aufgetragen wurden. Niemand musste einen zweiten Bissen von der gleichen Speise versuchen, um pappsatt zu werden. Selbst die verschiedenen Sorten Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte unterschieden sich durch die unendliche Vielfalt der Gewürze von allem, was sie von zu Hause kannten. Katja hatte auch für ein mild berauschendes Mittel gesorgt, das sie, für alle, die bei der Willkommensfeier nicht nüchtern bleiben wollten, bestimmten Säften beigemischt hatte.
„Lasst euch ordentlich Zeit!“, verkündete sie strahlend. „Wir werden erst nach Einbruch der Dunkelheit hier ablegen. Morgen feiern wir im Kontor gleich weiter. Übermorgen beginnt für einige von uns erneut der Ernst des Lebens.“
Katja übersetzte ihre Rede gleich auch ohne sichtliche Probleme in fließendes Cion.
Ihre Vokabeln hat sie fleißig und viel besser gelernt als Alf und ich die unseren. Aber einige andere Lektionen, von dem, was sie uns selbst aufgeschrieben hat, kann sie nicht richtig umsetzen, bemerkte Lena. Sie hat sich mit den Wertungen der Wörter zu sehr zurückgehalten, sie zu einseitig verwendet. ´Feiern´ ist bei ihr genauso gut oder schlecht wie der ´Ernst des Lebens´. Außerdem hat sie es nicht drauf, dafür zu sorgen, dass die Wörter und Sätze gut klingen, wenn sie was Fröhliches verkündet, wie sie es gerade getan hat. Sie hat aber ausdrücklich davor gewarnt, dass eine solche Ausdrucksweise als unhöflich empfunden werden kann. Zumindest der Doktor verzieht unmerklich das Gesicht dabei.
Helmut Pilcher trat vor, um, zum Auftakt des Festes, ein kurzes Gedicht in Cion vorzutragen. Zu ihrer großen Überraschung stellte Lena fest, dass es sich um die Übersetzung von einem von Alfs Versen handelte, der zum Beginn dieser Feier sicher hervorragend geeignet war:
Was du heute kannst verschieben,
das besorge nicht vor Morgen,
denn was du dadurch nicht verdienst,
kannst du dir später auch noch borgen.
Damit war das Fest eröffnet. Alle klatschten, lachten und stürzten sich auf die überreichlichen Speisen. Kurze Zeit später unterhielt Lena sich bereits angeregt mit Katjas jungem Gehilfen Velinas.
Sie war erstaunt, wie gut sie, obwohl sie bisher nur mit Alf hatte üben können, die fremde Sprache schon verstand. Streng genommen hatte sie
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