Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Ameisenbisse wurden in ihrer Summe zum Problem. Lediglich die Hand war wieder ein kleines Bisschen abgeschwollen. Verena war sich außerdem sicher, dass sie Fieber hatte. Gestern hatte sie dazu noch kleine fadenförmige Würmer in ihrem eigenen Stuhl entdeckt. In den letzten Tagen waren sie von gefährlicheren Raubtieren aller Art verschont geblieben. Verena argwöhnte, dass das nur daran lag, dass auch Raubtiere es nicht schätzten, von Heerscharen von Blutegeln heimgesucht zu werden, wie sie in diesem Teil des Waldes und nun auch an den Körpern der Mädchen zu finden waren.
Mehr Sorgen machte ihr aber Lisa. Der blutige Durchfall hatte sich verstärkt, und die letzten zwei Mahlzeiten hatte sie erbrochen. Das Mädchen wurde von Stunde zu Stunde schwächer, und gelegentlich redete sie wirres Zeug. Als sie Verena mit glasigem Blick ansah und „Mama“, nannte, war ihr klar, dass sie, guter Lagerplatz hin oder her, überhaupt nicht mehr weiter konnten.
Der Pflanzenbewuchs hatte sich verändert. Hier dominierten Bäume mit so gewaltigen Wurzelschalen, dass man nicht mehr von Teichen, sondern von kleinen bis mittleren Seen sprechen musste. Diese waren überlappend angeordnet, sodass sich bei Regen, und den gab es weiterhin zweimal täglich, feste Bachbetten zwischen den einzelnen Gewässern füllten, die nie ganz trockenfielen. Diese Schalen setzten sich bis in die Baumkronen hinauf fort und dort, wo noch genügend Licht vorhanden war, da hatten Lisa und Verena sich ihren Weg gebahnt. Am breiten Rand eines der kleineren Teiche begann Verena nun, ein möglichst festes Camp zu errichten.
Gegen Moskitos waren sie inzwischen dazu übergegangen, sich dick mit Schmutz einzureiben. Diese unvollkommene Schutzschicht erneuerte Verena als Erstes. Sie stellte Spieße gegen Raubtiere auf und zog einen schmalen aber geschlossenen Feuerring um das ganze Lager, um wenigstens hier die Blutegel fernzuhalten. Sie schlug Brennholz. Ihre Steinaxt zerbarst dabei, und Verena weinte bitterlich. Sie jagte alles, was ihr essbar erschien und hängte die Tiere über den Rauch, damit sich das Fleisch lange hielt. Sie spürte, dass sie bald nicht mehr in der Lage sein würde, etwas zu unternehmen. Bevor es so weit war, wollte sie Sorge tragen, dass es ihnen mehrere Tage an nichts Wichtigem fehlen sollte. Es ist unwahrscheinlich, dass ich oder Lisa in diesem Lager wieder gesund werden. Vermutlich enden wir beide hier. Das ist das letzte Lager.
Sie war eingedöst. Ihre Feuer waren fast erloschen und eine Wolke von Moskitos hüllte sie ein. Sie kroch zu dem immer noch beachtlichen Brennholzhaufen und zerrte mit einiger Mühe Äste auf eine Stelle, wo es noch flackerte. Ich werde so bald nicht noch einmal aufstehen können. Das Feuer muss so lange wie möglich von allein weiterbrennen.
Verena kroch über den feuchten Untergrund und schob mit ihrem Körper den gesamten Holzhaufen auf die Glut, wobei sie nur Zentimeter für Zentimeter vorwärtskam. Aufrichten konnte sie sich nicht mehr, und bevor sie das Holz auf der Glut hatte, wurde sie mehrfach kurz ohnmächtig. Verteilen kann ich das Brennmaterial nicht mehr. Wenigstens sollte uns das eine Stunde ganz ohne Mücken eingebracht haben. Mehr kann ich nicht mehr für uns tun. Lisa hat sich schon kurz nachdem ich mit dem Lager angefangen habe nicht mehr gerührt. Jetzt ist es mit mir so weit.
Sie schaffte es noch, sich in den Unterstand zurückzuziehen, den sie konstruiert hatte. Dort klammerte sie sich an die Bewusstlose. Verena trank einen Schluck von dem Wasser, das sie bereitgestellt hatte. Ohne noch irgendeinen Gedanken zustandezubringen, fiel sie in einen Schlaf, aus dem sie nie wieder von selbst erwachen konnte.
Gute Geschäfte
„… und deshalb will ich für die nächste Expedition, dass mein ganzer Trupp bewaffnet ist“, schloss Lena am Morgen ihren Bericht an Katja ab. Es hatte keine weiteren Probleme beim Abstieg gegeben. Am See angekommen, hatten sie des Abends, wie vereinbart, ein großes Feuer am Ufer entfacht.
*
Das war für den Fischer Caadil das vereinbarte Zeichen gewesen, sie am darauf folgenden Morgen abzuholen. Der Mann gefiel sich in seiner Rolle, als den exotischen Neulingen nahe zu gelten. Tatsächlich zog er damit so viel positives Interesse auf sich, dass er vor lauter junger hübscher Damen, die plötzlich um seine Gunst warben, nicht mehr wusste, wo ihm der Kopf stand. Daher hatte er sich freiwillig angeboten, ohne angemessene Bezahlung weitere Fahrten
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