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Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hühn
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Plackerei. Aber wir sind jetzt zwanzig Tage von der restlichen Welt getrennt, die wir endlich kennenlernen wollen. Ihr kriegt das da unten nicht so mit, aber wir sind einsam und halten das nicht mehr lange durch. Nichtmal Rolf ist das egal. Er will endlich einen Abend freihaben, um die ganzen schönen Frauen da unten in der Stadt zu beglücken, von denen er nach unserer Ankunft geschwärmt hat. Dass ich und Alf ein Paar sind, macht es nicht einfacher für ihn. Ihr lasst uns nicht gerade viel wissen, aber dass die Geschäfte gut laufen, soviel haben wir mitbekommen. Drei – nein vier Tage! Mehr nicht. Sag das Katja! Dann kommen wir hier erst mal runter, ob sie das will oder nicht.“
    Lena war überzeugt, dass sie nicht mehr lange so weitermachen konnten, sonst hätte sie Katjas Order nicht direkt und unmissverständlich widersprochen. Schon in ihrem letzten Brief an Katja hatte sie dezente Hinweise auf die aufkommenden Moralprobleme eingebaut. Da Katja scheinbar entschieden hatte, sie zu ignorieren, sah sie keine andere Möglichkeit mehr, als direkten Widerstand zu versuchen.
    „Katja hat exakt vorausgesehen, dass du nur noch für vier Tage mitmachen willst“, erklärte Sven nicht ohne Stolz auf seine kluge Gefährtin. „Sie hat mir folgende Antwort mitgegeben: ´Acht Tage, dann habt ihr volle zehn Tage Urlaub, in denen ich lediglich erwarte, dass ihr mir vor dem Fechtlehrer, den ich für euch engagiert habe keine Schande macht. Eventuell wollt ihr euch vorher schon einmal mit euren neuen Klingen vertraut machen.´“
    Erst jetzt entrollte Sven eine Lederbahn, in der drei gerade Schwertscheiden aus poliertem Holz lagen, aus denen schmucklose, aber in ihrer Einfachheit wunderschöne, ledergewickelte Griffe mit stählernem Knauf und gerader Parierstange ragten.
    Sie zogen die Waffen voller Ehrfurcht. Da die Griffe an klassische Ritterschwerter erinnerten, hatten Lena und ihre Gefährten auch bei den Klingen nichts anderes erwartet. Sie wurden überrascht. An eine besonders breite Fehlschärfe, die es erlaubte noch weit oberhalb der Parierstange die Klinge mit der zweiten Hand zu fassen, schloss sich ein einschneidiges Klingenblatt mit flacher Hohlkehle [28] an, das sich zu seiner Spitze hin leicht verbreiterte. Der Stahl war geflammt, und Rolf, der sich für Waffen sehr begeistern konnte, erklärte nach einer kurzen Untersuchung, er sei sicher, dass das keine Ätzung war. [29]
    Dass die Waffen perfekt ausgewogen waren, konnte dagegen auch Lena erkennen. Abgesehen davon waren sie nicht identisch. Die Schwerter waren auf Größe und Statur ihrer Träger abgestimmt. So sah Lenas Waffe in Rolfs Pranken geradezu lächerlich aus und umgekehrt könnte sie das Gewicht seiner Klinge niemals vernünftig führen.
    Katja hatte ihnen aber mehr als das geschickt. Aus einer zweiten Lederhülle beförderte Sven einen Satz Übungswaffen und gepolsterter Kleidung. Diese hölzernen Übungsschwerter hatten kaum etwas mit den Stecken gemein, die sie sich selbst geschnitten hatten, sondern waren in Maßen, Gewicht und Balance den individuellen echten Waffen so weit wie möglich nachempfunden. Mit dieser Ausstattung wären sie nun tatsächlich in der Lage, gezielt und sinnvoll zu trainieren. Das ließen sie sich in den folgenden Tagen trotz ihrer erschöpfenden Arbeit auch nie ganz nehmen.
    Die verbliebenen Acht Tage der Plackerei gingen dank dieser zusätzlichen Beschäftigung rasch vorbei. Endlich kam der Morgen, an dem sie nicht wieder zurück zum Flugzeug mussten, um mit den klobigen Scheren Teile der Außenhülle herauszutrennen oder abzumontieren, was immer Katja gerade Spezielles benötigte. Stolz hatten sie die rasiermesserscharfen Klingen gegürtet, als sie endlich wieder zu Tal wanderten. Nach den Auszehrungen der vergangenen Tage kam ihnen dieser Weg nicht länger wie ein Abenteuer, sondern eher wie ein fröhlicher Spaziergang vor.
     
    Sie trafen auf dem Abstieg ihre alte Gegnerin, die Gottesanbeterin wieder. An dem fehlenden Bein erkannte Lena sofort, dass es sich um das gleiche Tier handeln musste. Abgesehen davon lauerte es ganz in der Nähe seines letzten Hinterhaltes, obwohl keine Beute in Sicht war. Nicht zuletzt deshalb bemerkten sie es diesmal schon von Weitem.
    „Das Vieh steht nur noch auf drei Schreitbeinen“, murmelte Alfred unschlüssig.
    Lena und offenbar sogar Rolf war klar, was er damit sagen wollte: Gelang es ihnen, ein weiteres Schreitbein abzuschlagen, fiel das Tier zwangsläufig hilflos auf die Seite.

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