Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
kaum vorkommt. Doch während der Mahlzeit bei Kerzenschein erzählte er unablässig von seinem großen ersten Tag. Irgendwann schlief er mitten im Satz mit einem Lächeln auf den Lippen ein, wie ein Fels.
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Vaíl seufzte. Eigentlich hatte sie sich auf mehr als nur ein sehr einseitiges Gespräch gefreut, sah jetzt aber ein, dass sie an diesem Tag und vielleicht auch am nächsten nicht damit rechnen konnte, dass Konstantin sich zum Liebesspiel verführen ließ. Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Beziehung mit Konstantin hielte! Das hätte ich nicht gedacht, als ich sie begonnen habe. Ich glaubte Konstantin wäre hauptsächlich nützlich und daneben noch ein angenehmer Bettgefährte. Jetzt habe ich ihn lieb gewonnen. Was er wohl denken würde, wenn er erführe, dass meine historischen Studien hauptsächlich der Tarnung dienen? Irgendwann wird er abrupt begreifen müssen, wer ich in Wahrheit bin. Wird er zu mir stehen oder siegt seine Loyalität zu dieser Stadt? Kann ich es mir dann überhaupt leisten, mit ihm zusammenzubleiben? Könnte ich meine Familie überzeugen, dass er standesgemäß für eine CiriEN ist? Das hängt wohl von seiner weiteren Karriere ab. Ich sollte hier nicht rumträumen. Konstantin schläft tief und fest. Da kann ich genausogut meine Arbeit tun.
Vaíl erhob sich und nahm die unverfänglicheren Informationen, die sie bekommen hatte, erst einmal zwanglos in ihr Tagebuch auf. Dann ging sie zu dem Versteck, das sie sorgsam eingerichtet hatte, als der Schuppen renoviert worden war, und holte ihre geheimen Unterlagen hervor. Hm. Was habe ich von Konstantin eben Neues über die Strukturen in dieser Stadt erfahren, was sich strategisch und taktisch ausnutzen lässt? Nicht viel. Nicht heute. Auf die Dauer wird auch er mir wichtige Informationen über den Sicherheitsapparat, seine Funktion und Leistungsfähigkeit liefern. Ich sollte ihn öfter bitten, von der Arbeit zu erzählen.
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Die ersten Tage in Konstantins neuem Beruf wurden nicht weniger aufregend als der Erste und vergingen wie im Fluge. Das spätnächtliche Training war harter militärischer Drill und Konstantin fiel es schwer, mit den anderen Rekruten mitzuhalten. Zum Glück waren die Ausbilder keine Menschenschinder und putzten ihn deshalb nicht herunter. Die Arbeit in der Kriminaltechnik dagegen war ein Quell nicht enden wollender Freuden. Konstantin hatte einiges spezielles Vorwissen und konnte in einigen Bereichen sogar mit den Ausbildern Gespräche führen, die für beide Seiten fruchtbar waren. So kannte er zum Beispiel eine hier unbekannte Technik zum Abnehmen von Fingerabdrücken von schwierigen Oberflächen.
Von seinem Mentor war Konstantin nachhaltig beeindruckt. Corthovrin war nicht nur ein Meister darin, richtige Schlussfolgerungen zu ziehen und zwischen Möglichem, Wahrscheinlichen und sicheren Erkenntnissen zu differenzieren, er ging bei alldem auch ausgesprochen ruhig und methodisch vor. Zudem schien er in der Lage zu sein, diese Fähigkeiten Stück für Stück an Konstantin weiterzugeben, der von Natur aus zwar ruhig und fantasievoll aber, wie er jetzt selbst erkennen musste, keineswegs so organisiert oder differenziert war, wie er es von sich geglaubt hätte.
„Deine Intuition ist wichtig! Gewöhne sie dir nicht ab. Aber lerne, sie zu hinterfragen. Dann kannst du einmal wirklich gut in diesem Geschäft werden“, mahnte Corthovrin in diesem Zusammenhang.
Corthovrins derzeitiger, selbst gewählter Fall war die organisierte Plünderung von einigen städtischen und halbprivaten Grundstücken in wechselnden Bereichen der Altstadt. An und für sich war nichts besonders Mysteriöses daran, wenn nächtens eine Bande Krimineller einfiel und durch die rücksichtslose Ausschlachtung der wertvollsten Ressourcen, wozu natürlich auch brennbare Hölzer und Heilkräuter gehörten, nicht nur die Besitzer beraubten, sondern auch einen schweren Schaden an der Natur hinterließen. Interessant wurde der Fall dadurch, dass diese großen Mengen Diebesgut nicht ohne Weiteres aus der Oberstadt gebracht werden konnten und auch dort nicht in großem Umfang zu verkaufen waren. Da viele der gestohlenen Pflanzen nicht überall wuchsen, wäre das viel zu leicht aufgefallen. Als Konstantin mit in den Fall einstieg, hatte sich schon abgezeichnet, dass der Endabnehmer eine Handelsgesellschaft war, die die Waren über den Hochseehafen fortschmuggelte. Corthovrin wollte aber zumindest noch die wichtigsten Mittelsleute ausfindig machen und
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