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Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Hühn
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handfeste Beweise sammeln, bevor er zuschlug.
    Daneben musste sich Konstantins Mentor noch mit einigen weniger interessanten Fällen herumschlagen. Darüber geriet er regelmäßig in Streit mit seinem jüngeren Vorgesetzten. Es dauerte eine ganze Weile bis Konstantin durchschauen konnte, dass sein Lehrmeister nur ein Spielchen trieb. Es war nun keineswegs so, dass dessen Chef ihm aus reiner Gemeinheit solche langweiligen Dinge aufzwang. Vielmehr gab es eine gesetzliche Regelung, nach der offene Fälle aus dem Fallbuch, auch wenn sie nicht wichtig erschienen, nach einem Losverfahren unter den Suchern aufgeteilt werden mussten, bis alle Kapazitäten ausgelastet waren. Die Personaldecke reichte niemals, um sich mit allem, was die Suchergilde aufspürte oder was ihr zugetragen wurde, zu befassen. Es konnte nicht angehen, das irgendein Beamter einfach über die vermeintliche Wichtigkeit der jeweiligen Angelegenheiten entschied. Daher durften sich die einzelnen Sucher etwa für die Hälfte ihrer Zeit frei aussuchen, was sie tun wollten oder wurden von ihren Vorgesetzten eingeteilt. Den Rest der Zeit entschied aber das Los darüber, was sie zu bearbeiten hatten. So blieben zwar immer noch Lücken in der Verbrechensbekämpfung, aber immerhin musste kein Einwohner befürchten, dass sein Fall nicht bearbeitet wurde, weil er nicht einflussreich genug war oder nicht genug Bestechungsgeld gezahlt hatte. Corthovrin, so stellte sich heraus, bekam von seinem Chef so viel Entscheidungsfreiheit wie nur möglich. Allerdings konnte dieser nicht umhin, darauf zu bestehen, dass der störrische Alte die zugelosten Fälle auch tatsächlich bearbeitete.
    In der Anfangsphase schickte Corthovrin Konstantin erst mal nicht zu anderen Kollegen, sondern ließ ihn stattdessen umso mehr in der Bibliothek büffeln. Viel zu viele Dinge waren für Konstantin kaum zu begreifen. Dabei waren sie für einen Einheimischen oder gar für jeden anderen Bewohner dieser Welt von Kindesbeinen an selbstverständlich. Als ein Beispiel sei hier das Prinzip des Strafrechtssystems beleuchtet.
    Wir sind es bei uns gewöhnt, dass ein Angeklagter entweder schuldig oder unschuldig gesprochen werden kann. Dabei wird noch die Schwere der Schuld berücksichtigt und mildernde Umstände können geltendgemacht werden. In H´Cuudim (und fast überall auf dieser Welt) war das anders. Hier konnte ein Gericht auch Zwischenstufen von ´die Schuld ist klar widerlegt´, und ´es gibt gute Gründe, die gegen eine Schuld sprechen´ über ´es sieht zwar nach einer Schuld aus aber wir sind uns da gar nicht sicher´ bis zu ´wahrscheinlich schuldig´, ´höchstwahrscheinlich schuldig´ und ´vollkommen sicher schuldig´ beschließen.
    Die Sicherheit, mit der ein Schuldspruch gefasst wurde, hatte erheblichen Einfluss auf das mögliche Strafmaß. Und in späteren Verhandlungen konnte es eine Rolle spielen, wenn jemand vorher mehrfach ´vielleicht schuldig´, gesprochen wurde.
    Konstantin war zunächst entsetzt von dieser Vorstellung und sah nur die offensichtlichen Nachteile. Bald wurde ihm aber auch klar, dass das System alles in allem zumindest ehrlicher war, als alles, was er bisher kannte. Immerhin gab es auch im irdischen Strafrecht keinen Platz für echte Beweise im wissenschaftlichen Sinne, sondern die Überzeugung der Richter und Geschworenen zählte.
    Abgesehen davon wurde Konstantins negativer Eindruck abgemildert, weil generell die Frage der Rehabilitation viel mehr im Vordergrund stand als bei uns.
    Auch das Prinzip ´vor dem Gesetz sind alle gleich´ wurde hier anders verstanden. Bei uns bedeutet es: ´gleiche Strafe für gleiche Taten´. In H´Cuudim bedeutete es: ´gleiche Strafwirkung für gleiche Taten´. Anders ausgedrückt: Wenn ein Reicher für ein bestimmtes Vergehen mit einer Geldstrafe belegt wurde, dann in einem Ausmaß, das ihm genauso weh tat wie einem Armen die geringere Geldstrafe, die er für die gleiche Tat hätte zahlen müssen.
    All das lässt einem Gericht gehörig viel Spielraum in alle Richtungen offen, was nicht immer gut ist. Es ist möglich, dass jemandem durch viele Anklagen der Makel des ´vielleicht schuldig´, angehängt wird. Ich glaube dagegen auch, dass somit durch Unsicherheit erzeugte Fehlurteile abgemildert werden können. Das ist ja auch was wert, sagte sich Konstantin schließlich mit einem Schulterzucken, nachdem er stundenlang darüber nachgegrübelt hatte. Andere Welten, andere Sitten.
    Natürlich sprach er auch mit Cenimnir und Vaíl

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