Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
wissen also, worauf Sie sich einstellen müssen, wenn Sie mir gleich folgen. Halten Sie jeweils einen langen Schritt Abstand zu ihrem Vordermann und einen halben Schritt zu ihrem Nachbarn, dann muss niemand über den Anderen stolpern. Bitte folgen Sie mir auch auf dem Weg zum Startpunkt genau nach. Nur so können wir gewährleisten, dass Sie dadurch das Ritual, die Kraftlinien- und Felder nicht stören. Der Ritualleiter wird von zwölf auf null herunterzählen. Sie werden also nicht davon überrascht, wenn es wirklich losgeht. Wir haben noch Zeit, den Marsch einmal auf dem Vorplatz hier zu üben. Bitte stellen Sie sich auf!“
Ab einer bestimmten Geschwindigkeit war es gar nicht mehr so einfach, die Formation exakt zu halten, doch alle gaben sich große Mühe, und die Ritualleiterin äußerte sich so weit zufrieden: „Wenn Sie es gleich noch einmal so hinbekommen, gebe ich Ihnen eine gute Chance, den Übergang heil zu überstehen. Allerdings erzeugt das Getrampel von so vielen, was wir nicht bedacht hatten, eine erhebliche Erschütterung. Das kann zu Turbulenzen beim Übergang führen, wodurch Sie voraussichtlich etwas mehr herumgewirbelt werden, als es wünschenswert wäre. Wenn Sie sanfter Auftreten könnten, wäre das zu Ihrem Vorteil. Jetzt müssen aber alle auf ihre Startposition.“
Auf diese Anweisung hin nahm das Expeditionskorps Aufstellung. Auch diejenigen, die das Ritual durchführen sollten, positionierten sich exakt dort, wo sie hingehörten. „Zwölf, elf, zehn, neun … drei zwei eins“, viel mehr als den Countdown der Ritualleiterin hätte es für Sie, liebe Leserinnen und Leser, nicht wahrzunehmen gegeben. Die Ritualleiterin stand außerhalb, beobachtete die Szenerie und erteilte wie eine Dirigentin, jedoch mit deutlich sparsameren Gesten, ihren Ritualhelfern stille Anweisungen. Ansonsten war, außer wenigen Worten, für normale Ohren und Augen keine Aktivität zu erkennen. Die Ritualhelfer standen ruhig und unbewegt, wenn auch mit ernstem, aufmerksamem Gesichtsausdruck, an ihren Positionen herum und schienen nichts zu tun. Bei „null“, setzte sich der Zug zunächst langsam, dann immer schneller im Gänsemarsch in Bewegung. Dann gab es einen Sekundenbruchteil, in dem sich plötzliche Unsicherheit in ihrer Miene widerspiegelte. Kurz darauf waren sie verschwunden, jedenfalls die Meisten von ihnen. Die allerletzte Reihe schien im vollen Lauf auf ein Hindernis zu prallen. Der Soldat am rechten Rand überlebte mit einigen Blessuren, die anderen beiden Betroffenen brachen augenblicklich tot zusammen. Ihre Körper waren seltsam verzerrt und eine ganze Menge Blut spritzte umher.
Wären Sie dort gewesen, Sie hätten außer einem subtilen Duft nach ätherischen Ölen und einem dramatischen Anstieg der Lufttemperatur nichts weiter bemerkt. Es gab keine Gesänge, keine großen Gesten oder Tänze, keine mystisch rauchenden Kerzen und keine beeindruckenden Lichteffekte.
Diejenigen, die jedoch die Kraftfäden sehen und beeinflussen konnten, erlebten das alles ganz anders. Die Sinne mit denen die Kräfte wahrgenommen werden können, sind für diejenigen, die sie nicht besitzen, schwer in Worte zu fassen. Sagen wir also einfach, dass die Ritualteilnehmer sehen oder fühlen konnten, was hier geschah. Dies war ein komplexes Spiel von Wechselwirkungen und Verantwortlichkeiten. Zwei der Anwesenden hatten keine andere Aufgabe, als das jeweils erwünschte Maß an zusätzlicher Kraft in die vorbereitete Matrix fließen zu lassen. Dabei durften sie sich nicht durch diese enormen Energiemengen in Stücke reißen lassen. Zwei weitere, waren für die äußere Eindämmung der unsichtbaren Effekte zuständig und mussten sich dabei von Sekunde zu Sekunde immer wieder auf neue Situationen einstellen. Hier eine starre Sperre zu setzen, hätte den ganzen Ablauf durcheinandergebracht und die Expeditionsteilnehmer augenblicklich getötet. In ihrem Geiste war es ein ständiges Zurückweichen, Innehalten und der sanfte Aufbau von genau dem richtigen Gegendruck. Drei Vertreter der Künste, deren ursprüngliches Fachgebiet die Klassomatrixkontrolle war, nutzten die zur Verfügung stehende Kraft, um dort wo die Realitäten der Welten so dicht zusammengedrängt waren, dass sie sich fast überschnitten, kontrollierte Verbindungen zu schaffen.
All das wäre viel zu komplex und Kraftintensiv gewesen, um ohne Hilfsmittel gehandhabt zu werden. Die vorbereiteten Kraftlinien-, Felder und Puffer mussten einen großen Teil der Arbeit
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