Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
unterwegs gewesen war, erwartet hätte. Vermutlich war sie noch bis zum Hereinbrechen der Dunkelheit fort. Ich hätte ihr ausreden sollen, noch loszuziehen.
Doch Katja zeigte sich guter Dinge und ließ ihre Freunde nicht lange herumrätseln, woher das kam. „Wir haben eine Schlucht mit einem Bach ausfindig gemacht. Das Gefälle dort müsste mit hinreichender Vorsicht zu bewältigen sein. Morgen früh werden wir uns eine Ausrüstung zusammenstellen, die sich schultern lässt und den Rest, also auch die Schlitten, hier gut verstauen. Dann geht es runter ins Warme! Jetzt ist erst mal noch zwanzig Stunden lang Nacht. Wir müssen diese Zeit unbedingt effektiv nutzen!“
Ich hätte jetzt gerne meine Kamera dabei, um die langen Gesichter zu fotografieren. Ich hätte allerdings auch lieber noch mehr Pause. Was ist Katja nur wieder eingefallen, das nicht warten kann? Na, da ist es wohl am besten, ich frage sie.
Das tat Lena dann auch.
„Hatte ich das nicht erwähnt?“, fragte Katja mit verschmitztem Grinsen zurück. „Also, zunächst will ich ein wahres Festmahl haben. Das Beste, was sich aus unseren Vorräten zaubern lässt. Dann wird gefeiert! In diesem Flugzeug waren viele, teure alkoholische Getränke und ich habe Alf diskret angewiesen, reichlich davon mitzunehmen. Wir verfügen über keine Stereoanlage, also müssen wir schauen, wer wohl etwas singen kann. Zumindest solange wir noch aufrecht sitzen können. Tut mir leid, wenn ich euch schon wieder so viel ´Arbeit´ zumute.“
Klar, jetzt ist erst mal die letzte Gelegenheit, wo wir uns richtig gehen lassen können und die Nacht ist lang genug, um bis morgen früh wieder nüchterner zu werden. Vielleicht hat diese Welt mehr Vorzüge, als man denkt.
Es wurde eine gute Feier. Kapitän Sven Richardson und Helmut Pilcher hatten sich verbündet, um aus den Resten der Mahlzeiten für die erste Klasse etwas köstliches Neues zu kreieren. Ein Schuss Rotwein reichte aus, um aus einem essbaren ein leckeres Lammragout zu machen. Doch die Beiden ließen es sich nicht nehmen, fröhlich an den Kochtöpfen zu schwatzen, als hätten sie das Kochen eben erst höchstpersönlich als neue Wissenschaft erfunden. Den Beilagen widmeten sie nicht weniger Aufmerksamkeit. Derweil bereitete Lena mit den Anderen eine festliche Tafel vor, so gut das eben ging. Da diese Vorbereitungen viel eher getroffen waren, als das Essen bereit war, wurde rasch die erste Flasche Wein geöffnet. Noch war die Stimmung eher heiter und festlich als ausgelassen. Statt mit Singen und Tanzen eröffnete Alf aus diesem Grunde das Unterhaltungsprogramm mit dem Rezitieren von Gedichten: „Das hier paßt, glaube ich, ganz gut. Von einem unbekannten Dichter …
Rettung in der Not
Steht dir das Wasser bis zum Hals,
so knet ein Boot aus Ohrenschmalz,
flicht Segel dir aus Nasenhaaren,
und brauchst du für die Rah ein Brett,
nimm das vom Kopf,
ist´s Schiff komplett!“
Alle wussten, dass Alf gelegentlich selbst Gedichte schrieb und dass dies sein eigenes Werk sein musste. „Der Dichter ist uns wirklich allen TOTAL unbekannt“, stimmte Katja lachend zu. „Hat der nicht Folgendes über seine eigenen Fähigkeiten geschrieben?
Warum nur dichtet dieser Mann,
er hat doch wahrlich keinen Stil,
Ist es so schwer, den Mund zu halten,
wenn man nichts Kluges sagen will?
Jeder denkt doch peinlich, peinlich,
wie er da die Reimkunst quält.
Es wäre besser, augenscheinlich,
wenn er betreffs der seinen Lyrik,
immerzu die Klappe hält.“
„Warum trägst du nicht lieber was von Goethe vor, wenn du mehr Niveau willst, Katja?“, fragte Lena, die Katjas nahezu unbegrenzte Fähigkeit, ein klassisches Werk nach dem anderen zu rezitieren, auf der Südamerikareise kennen und bewundern gelernt hatte.
Ausgerechnet Rolf meldete sich mit der Behauptung zu Wort, er kenne etwas von Goethe. Diese Ankündigung rief viel ungläubiges Kopfschütteln hervor. Rolf schmiss sich gehörig in Positur und mit allem ihm möglichen Pathos erklärte er:
„Was säuft man so spät, bei Nacht und Gewitter?
Am besten Grappa und Magenbitter!“ [11]
Das allgemeine Gekicher flaute allmählich ab. „Na, dann Prost“, kommentierte Erik.
Lena kicherte. Sie wusste: Erik konnte Gedichten im Allgemeinen nicht viel abgewinnen und auch, was Musik anbetraf, musste sie schon von Schlaginstrumenten oder Computern herrühren, damit sie ihm gefiel. Nichtsdestoweniger schätzte er solche geselligen Anlässe
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