Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
sind, Lagerhäuser, Zulieferer für den Schiffsbau, Matrosenheime und so weiter. Wir werden folglich dort vorne aussteigen und uns ein Stückchen von all dem fort und tiefer in die Unterstadt hinein begeben.“
Das Viertel änderte sich tatsächlich sehr. Die einzelnen Grundstücke wurden geradezu riesig. „Sind die Menschen hier besonders reich, dass sie sich so große Grundstücke leisten können?“, fragte Konstantin, der in dieser Hinsicht gewisse Zweifel hegte.
Ihm war aufgefallen, dass die Leute hier eher schlicht gekleidet und häufig mit schweren, körperlichen Arbeiten befasst waren.
„Um des großen Waldes willen [24] , nein! Das Gegenteil ist der Fall. Die Leute bedürfen so großer Grundstücke, weil sie sich daraus vollständig mit Nahrung versorgen müssen und auch welche zum Verkauf bringen, um ihre Ausgaben zu decken. Sie müssen auch Brenn- und Nutzhölzer gewinnen. Manche Leute lieben ein solches Leben. Doch Nahrung wird nicht sehr gut bezahlt. Und so ein großes Gelände richtig zu pflegen bedeutet harte Arbeit und fast keine Mußestunden. Ich könnte mir ein solches Dasein nicht dauerhaft vorstellen, und viele hier träumen davon, ein Leben in den besseren Vierteln führen zu können. Natürlich ist die Existenz hier ungefährlicher als in den Außenbezirken, und die Nähe zum Hafen und der Innenstadt ist ein famoser Vorteil. Aber dafür zahlt man einen hohen Preis. Du solltest übrigens mehr darauf achten, wohin du trittst und wo du dich bettest. In der Alten Unterstadt gibt es nach wie vor viele recht unangenehme Gifttiere und auch die tödlichen Arten sind hier nur mäßig dezimiert. Manchen gefällt es sogar gerade hier.“
„Wo liegt denn da der Unterschied zu den Außenbezirken?“
„Du meinst, was die persönliche Sicherheit anbetrifft? Nun, die Außenbezirke sind nur durch eine Schneise und einen darauf folgenden Wall aus dicht verflochtenen Gewächsen vom eigentlichen Dschungel abgegrenzt. In den alleräußersten Ring dringen obendrein periodisch große Raubtiere ein und kleinere Gifttiere, vor allem Schlangen, werden zwar gejagt, doch ihre Anzahl nimmt kaum ab. Dazu sind diese Gefilde zu weitläufig. Du wirst das später noch aus der Nähe ansehen können. Jetzt sollten wir uns erst einmal einen Unterstand suchen. Das Vormittagsgewitter wird alsobald losbrechen und ich bin müde.“
Zu den Verpflichtungen eines Grundstückseigentümers konnte auch gehören, einen Schlafraum für Gäste zur Verfügung zu stellen. Konstantin und Cenimnir zogen sich in ein solches im Dschungelgelände verborgenes Häuschen zurück und nutzten die bereitstehenden Pritschen um das nahende Gewitter zu verschlafen.
Nachdem sie ausgeschlafen hatten, kam ein derb gekleideter Mann mit wettergegerbtem Gesicht herein, der sich als der Eigentümer des zugehörigen Grundstücks entpuppte. „Ich habe heute Morgen Skorpione abgesammelt und bin noch nicht dazu gekommen, sie zu verkaufen. Ich gewahrte, dass meine Schlafhütte belegt ist und dachte mir, ich frage nach, ob meine Gäste Lust auf eine große Portion gerösteten Skorpion hätten“, erklärte er.
„Herzlich gerne“, antwortete Cenimnir sofort. „Wir haben noch nicht gespeist. Für jeden von uns eine ganze Schütte bitte, mit einer Spur Fruchtchutney dazu, wenn ihr welches da habt. Jedenfalls, sofern ihr den üblichen Preis nehmt.“
Nachdem der Mann losgeeilt war, um seinen Fang zuzubereiten erklärte Cenimnir Konstantin, dass frisch geröstete Kleinskorpione eine Delikatesse seien. Vor allem in der Unterstadt bekomme man sie günstig.
Eine ganze Schütte davon war mehr als ein Kilogramm und mit dem Chutney zusammen war eine solche Mahlzeit sehr sättigend. Konstantin versuchte gerne exotische Nahrung, und falls er dennoch irgendwelche Vorbehalte gehabt haben sollte, so hatte er in den ersten Tagen seines Aufenthaltes in der neuen Welt genug Gelegenheit erhalten, sie abzulegen. Die Skorpione jedenfalls erwiesen sich als höchstgradig köstlich und die Portion als so reichlich bemessen, dass sie sich Reste davon als Wegzehrung einpacken konnten.
Anschließend äußerte Cenimnir den Gedanken, es sei interessant für Konstantin, die restliche Strecke zum Hafen nicht mit der Zitadellenbahn, sondern einem Personenwaggon der Erzbahn fortzusetzen. So bekam Konstantin nicht nur die andere, viel mächtigere Bahnverbindung zu Gesicht, sondern sie mussten auch das Gelände zwischen den beiden Linien durchqueren. Dort lagen die großen
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