Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mondmann

Der Mondmann

Titel: Der Mondmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
werden?«
    »Carlotta wird sich bestimmt nicht getäuscht haben«, sagte ich.
    Das Vogelmädchen hatte seinen Namen gehört und meldete sich vom Rücksitz her. »Das habe ich auch nicht, ehrlich nicht. Aber es gibt eine Möglichkeit, um es herauszufinden.«
    »Welche denn?«, fragte Maxine.
    »Ich kann ja mal losfliegen und mich umsehen. Aus der Luft habe ich einen viel besseren Überblick.«
    »Untersteh dich.«
    Carlotta war sauer. »Immer diese Bevormundungen. Ich bin schließlich kein Baby. Ihr wisst selbst, wie gut ich auf mich aufpassen kann und was ich schon alles erlebt habe.«
    »Eben deshalb.«
    »Wieso?«
    »Bisher ist alles gut gegangen«, erklärte die Tierärztin. »Was nicht heißen muss, dass es so bleibt.«
    »Ach, ihr macht euch umsonst Sorgen. Ich schaffe das schon. Und ich bleibe auch in der Nähe. Außerdem bin ich mir sicher, dass sie mir nichts tun werden.«
    »Und worauf beruht deine Sicherheit?«, erkundigte sich Maxine.
    »Ich habe es gespürt. Sie sind nicht meine Feinde. Sie haben zwar diese kalten, gelben Augen, aber ich habe keine Feindseligkeit gespürt. Sie haben mich akzeptiert.«
    »Meinst du?«
    »Wenn ich das doch sage.«
    Maxine und Carlotta sprachen noch weiter, aber ihre Worte glitten an meinen Ohren vorbei. Ich schaute in die Dunkelheit, und da war der Himmel für mich sehr wichtig.
    Man konnte ihn als einen sternengeschmückten Ozean ansehen, der keinen Anfang und kein Ende besaß. Wo ich auch hinschaute, ich sah einzig allein den Himmel, und für Schottland war es ungewöhnlich, dass er nicht von dicken Wolken bedeckt war. Seine Klarheit empfand ich schon als beeindruckend, und im Zentrum stand für mich der mit gelbweißem Licht gefüllte Augenschlitz des Mondes.
    Über uns bewegte sich nichts, aber in der Weite des Tals sah es auch kaum anders aus. Außerhalb der schwachen Lichtinseln glitten nur ab und zu die Scheinwerferpaare der fahrenden Wagen dahin, und nicht das geringste Geräusch drang an unsere Ohren.
    »Keine Bewegung am Himmel«, sagte ich zu Maxine.
    Sie zuckte nur mit den Schultern. »Da kann die Zeit bis zur Tageswende noch lang werden.«
    »Wir können uns ja gegenseitig Gedichte aufsagen«, schlug Carlotta vor. »Das ist gut für das Gedächtnis.« Sie stieß uns beide an. »He, wie wär’s damit?«
    Maxine seufzte. »Nein, Carlotta, nein.«
    »Warum denn nicht?«
    »Bitte, du nervst.«
    »Und wie ist es mit dir, John?«
    »Nein, nein, auf keinen Fall. Meine Schulzeit liegt schon zu weit zurück. Außerdem war ich nie gut im Gedichte auswendig lernen.«
    »Schade.«
    Maxine Wells lächelte und schüttelte dabei den Kopf. Sicherlich dachte sie wie ich, denn ich konnte Carlotta verstehen. Obwohl es ihr gut bei der Ziehmutter ging, fühlte sie sich manchmal schon eingesperrt, weil sie nicht das tun konnte, was sie wollte. Aber sie musste ihre Fähigkeiten ausnutzen, brauchte Bewegung. Das war für sie so etwas wie das Training eines Marathonläufers.
    Ich kam wieder auf das Thema zu sprechen. »Und diesen Mondmann hast du noch nie gesehen, Max?«
    »Nein.«
    »Gibt es ihn überhaupt?«
    Bevor sie antwortete, sprach Carlotta. »Es gibt die Vögel, und die sind seine Begleiter. Und weil es sie gibt, wird es auch den Mondmann geben. Es muss ihn geben. Und die Vögel waren früher mal Menschen. Er hat sie nur in Raben verwandelt.«
    »Ein schönes Märchen.«
    »Nein, das ist alles wahr.«
    »Woher weiß du das?«
    »Weil ich es gespürt habe, John. Ich habe die Vögel in der Luft gesehen. Ich habe sie getroffen, und sie waren nicht meine Feinde. Sie wollten mich nicht überfallen. Sie haben mich in Ruhe gelassen. Deshalb konnte ich sie auch beobachten.«
    »Ohne den Mondmann gesehen zu haben.«
    »Leider.«
    »Sei froh«, meldete sich Maxine. »Der Mondmann ist nicht eben ein Freund und Gönner der Menschen. Soviel ich weiß, will er sie in seine Gewalt bringen, um sie zu seinen Dienern zu machen. Allerdings sind sie dann Raben.«
    Ich erinnerte mich daran, früher einmal das Märchen von den sieben Raben gelesen zu haben. Da waren auch Menschen in Vögel verwandelt worden. Sollte das hier auch der Fall sein?
    Eine gesunde Skepsis blieb bei mir schon zurück. Obwohl ich schon die Verwandlung von Menschen in Monster erlebt hatte, überkamen mich in diesem Fall doch Zweifel, die ich allerdings für mich behielt, denn ich wollte Carlotta nicht enttäuschen.
    »Was erzählt man sich denn sonst noch vom Mondmann?«, fragte ich. »Gibt es irgendeinen Ort, an dem er

Weitere Kostenlose Bücher