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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Rotkohl, und ganz oben würde es nach Muff und klammer Wäsche riechen – und das, obwohl keine der Parteien ihre Wäsche im Flur aufhängte. Hin und wieder verschoben sich die Geruchsgrenzen, sie wurden aber immer wieder aufgefrischt, indem jemand ein Sonntagsessen kochte, die Katze rausließ oder sonst etwas tat, das den Geruch seiner Etage erhielt.
    Lillys Etage war die, die nach klammer Wäsche roch, vier Treppen musste sie hinter sich bringen, bis sie den Muff hinter ihrer Wohnungstür aussperren konnte.
    Nur langsam kam wieder Leben in ihre von der Kälte betäubten Wangen. Auch ihre Hände waren trotz der Handschuhe gefühllos. Lilly konnte es kaum erwarten, sich einen Kaffee zu machen und dann mit Ellen zu telefonieren.
    Auf halbem Weg kam ihr Sunny Berger entgegen, die zwanzigjährige Studentin mit den zahlreichen Tattoos, die manchmal in ihrem Laden aushalf und die ein sehr gutes Händchen für Antiquitäten hatte. Manche Kunden sahen sie zwar etwas verwundert an, wenn sie die Bilder auf ihrer Haut entdeckten, aber meist konnte Sunny sie mit ihrem Charme ganz rasch für sich einnehmen.
    Bei Lilly war das jedenfalls sofort geschehen, nicht mal eine Woche nachdem die Studentin hier eingezogen war, hatte sie sich mit ihr angefreundet.
    »Hey Sunny, wie geht’s?«, fragte Lilly, und wieder ging ihr die Idee durch den Kopf, sich einen kleinen Urlaub zu gönnen. Wenn sie jemanden bitten konnte, für sie einzuspringen, dann die Studentin.
    »Gut, und dir?«, antwortete die junge Frau und zog fröhlich den Ärmel ihres Pullovers hoch. »Schau mal, das ist mein Neues.«
    Das Tattoo zeigte ein Pin-up-Girl, das auf einer schwarzen Billardkugel mit der Nummer Acht ritt. Lilly wusste, dass sie sich selbst nie dazu durchringen würde, ihren Körper mit Bildern verzieren zu lassen. Doch in diesem Fall konnte sie nur Bewunderung für die saubere Arbeit und das Motiv äußern.
    »Das ist sehr gut. Wo hast du das machen lassen?«
    »In einem Laden in der Torstraße«, antwortete Sunny, wobei ein beinahe verliebtes Lächeln auf ihr Gesicht trat. »Ich glaub, da geh ich wieder hin, der Tätowierer war echt nett.«
    »Was fürs Leben?«, fragte Lilly, denn im Gegensatz zu ­ihren Tattoos waren Sunnys Beziehungen alles andere als dauer­haft.
    »Für das nächste Tattoo bestimmt. Aber sonst …« Bedauernd hob sie ihre linke Hand und tippte mit der rechten auf ihren Ringfinger, wo der feine Schriftzug »Love« tätowiert war.
    »Ah, verheiratet«, stellte Lilly fest, worauf sie nickte.
    »Ja, leider. Wäre schon was, sich einen Tätowierer zu angeln. Dann würde er mir die Tattoos kostenlos machen.«
    »Und innerhalb eines Jahres hättest du dann keine freie Stelle mehr am Körper.«
    »Stimmt auch wieder. Das würde ja langweilig werden. Aber trotzdem, Dennis ist sehr nett …«
    »Freunde dich doch an mit ihm, dann gibt er dir vielleicht einen kleinen Nachlass.«
    »Mal sehen. Wie sieht’s denn aus, brauchst du demnächst wieder etwas Hilfe im Laden?«, fragte Sunny, nachdem sie ihren Ärmel wieder heruntergekrempelt hatte.
    Lilly lächelte in sich hinein. Sunny fragte das immer, wenn sie ein neues Tattoo hatte machen lassen. Die Körperzeichnungen rissen regelmäßig ein Loch in ihre Haushaltskasse, was sie aber nicht davon abhielt, sich immer wieder ein neues Bild zu gönnen.
    Lilly wollte schon verneinen, als ihr die Sache mit dem Urlaub, der Flucht aus dem regnerischen Berlin in den Sinn kam.
    »Wäre gut möglich«, antwortete sie also, denn wenn sie sich Sunny nicht warmhielt, hatte sie vielleicht niemanden, der im Ernstfall zur Verfügung stand. »Vielleicht in einer oder zwei Wochen. Könntest du da?«
    »Na sicher doch!«, antwortete die junge Frau. »Ich halte mir die Zeit frei, musst mir nur sagen, wie lange du mich brauchst. Ich krieg ja bald Semesterferien.«
    Drei Monate frei. Lilly dachte zurück an ihre Studienzeit. Auch wenn sie, ähnlich wie Sunny, immer auf der Suche nach einem Job gewesen war, der etwas Geld in die Kasse spülte, waren die Semesterferien immer die besten Zeiten ihres Studentendaseins gewesen.
    »Und die will ich dir nicht ganz verderben, aber vielleicht kannst du dich auf drei oder vier Wochen einrichten.«
    »Oh, willst du verreisen?«
    »Vielleicht.« Ein Lächeln huschte über Lillys Gesicht, dann strich sie abwesend über den Geigenkasten unter ihrem Arm.
    »Und dabei Geige spielen lernen?«
    »Nein, die habe ich heute bekommen und …« Wenn sich ihre Freundin dafür interessierte,

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