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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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ich da war.«
    Sie nippte an ihrem Tee. Der Brunnen gluckerte. Das Wasser in seinem Becken tropfte über einen Rand und spritzte auf die Steine. Der Brunnen hatte sich auf einer Seite mehrere Zoll in die weiche, sandige Erde gesenkt. Auf der anderen Seite des Hofs saßen zwei Heimbewohner, ein Mann und eine Frau, an einem anderen Tisch und hielten Händchen, während sie das Spiel des Lichts im kaskadenartig herabstürzenden Wasser beobachteten – oder zu beobachten schienen. Sie nickte in ihre Richtung.
    »Na ja, eine Zeit lang leistete sie ihm Gesellschaft.«
    »Sie? Wer ist sie?«
    »Ihr Name ist Lillian. Sie war Williams Freundin.«
    »Seine Freundin?«
    »Nicht nur seine. Seit ich hierherkomme, hat sie ungefähr zwölf Freunde gehabt.« Die Vorleserin lachte leise. »Sie hat Alzheimer, das arme Ding, geht von Mann zu Mann, klebt ein paar Wochen wie Leim an ihnen, und dann verliert sie das Interesseund ›gabelt‹ jemand anders auf. Das Personal nennt sie ›die Herzensbrecherin‹. Manche Heimbewohner trifft es sehr hart, wenn sie weiterzieht.«
    »War das bei William so?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Schwer zu sagen. William war …« Sie suchte nach dem richtigen Wort. »Na ja, bisweilen dachte ich, er sei vielleicht autistisch. Dass es gar keine Demenz war, sondern etwas, woran er schon sein ganzes Leben gelitten hatte.«
    »Er war nicht autistisch.«
    Sie wandte den Blick von Lillian und ihrem Gefährten ab, um mich prüfend anzusehen, wobei sie eine Braue wölbte. »Ach?«
    »Nach seinem Tod fand man einige alte Notizbücher, die unter seinem Bett versteckt waren. Eine Art Tagebuch oder Memoiren, die er geschrieben haben muss, bevor er hierherkam.«
    »Tatsächlich? Dann wissen Sie mehr über ihn als ich.«
    »Ich weiß, was er über sich selbst geschrieben hat, aber ich weiß nichts über ihn «, sagte ich vorsichtig. »Ich habe bisher nur die ersten drei Bücher gelesen, und was darin steht, ist … nun ja, ziemlich weit hergeholt.« Ihr Blick machte mich verlegen. Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her und sah über den Hof zu Lillian. »Ob sie sich wohl an ihn erinnert?«, grübelte ich laut.
    »Das bezweifle ich.«
    »Ich denke, ich sollte dennoch fragen«, meinte ich ohne viel Enthusiasmus.
    »Sie pflegten stundenlang zusammenzusitzen«, sagte die Vorleserin. »Nicht im Gespräch; sie hielten einfach nur Händchen und starrten ins Leere. Auf eine gewisse Weise war es süß, solange man nicht über das Unvermeidliche nachdachte.«
    »Das Unvermeidliche?« Ich nahm an, dass sie vom Tod sprach.
    »Der Nächste, der ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Derjenige, bei dem sie jetzt gerade sitzt? Er heißt Kenneth, und sie ist seit etwa einem Monat mit ihm zusammen. Ich gebe der Sache noch eine Woche, und dann wird der arme Kenneth wieder alleine sein.«
    »Wie hat Will es aufgenommen – als sie ihn fallen ließ?«
    Die Vorleserin zuckte die Schultern. »Mir ist nicht aufgefallen, dass es ihn in irgendeiner Weise berührt hätte.«
    Ich beobachtete Lillian und ihren Kavalier noch ungefähr eine Minute weiter.
    »Heißt nicht, dass es das nicht tat«, sagte ich.
    »Nein«, sagte sie. »Heißt es nicht.«
    An diesem selben Nachmittag traf ich mich mit Will Henrys behandelndem Arzt, dem Mann, der ihn am Abend des 14. Juni 2007 für tot erklärt hatte. Er hatte William seit seiner Ankunft in der Einrichtung behandelt.
    »Wissen Sie«, sagte er augenzwinkernd, »er behauptete, 1876 geboren zu sein.«
    »Ich habe davon gehört«, sagte ich. »Was denken Sie, wie alt er wirklich war?«
    »Schwer zu sagen. Mitte bis Ende neunzig. In ausgezeichneter Verfassung allerdings, für jemanden seines Alters.«
    »Bis auf die Demenz.«
    »Tja, Demenz ist unausbleiblich, wenn man lang genug lebt.«
    »Was war die Todesursache?«
    »Altersschwäche.«
    »Herzinfarkt? Schlaganfall?«
    »Eins von beiden höchstwahrscheinlich. Schwer zu sagen ohne Autopsie. Aber seine letzte Untersuchung hat er mit Glanz und Gloria bestanden.«
    »Ist Ihnen irgendwann einmal … Gab es irgendwelche Anzeichen für … vielleicht etwas Merkwürdiges daran … Können Sie mir sagen, ob Sie ihm einmal eine Blutprobe entnommen haben?«
    »Selbstverständlich. Das war Teil der Untersuchung.«
    »Und haben Sie jemals etwas … Ungewöhnliches gefunden?«
    Der Doktor legte spöttisch den Kopf schräg, und ich hatte den Eindruck, dass er ein Lächeln unterdrückte.
    »Wie zum Beispiel?«
    Ich räusperte mich. Laut ausgesprochen schien der Gedanke

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