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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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hierhergebracht. Ja , es ist sein Wille. Sein Wille. Und sein Wille geschehe!«
    Mit Bewegungen, die wacklig wie die eines Säufers waren, wankte er fort, wobei er vor sich hin murmelte: » Ja, ja , sein Wille geschehe«, und ließ mich zitternd und schwitzend mit einer Lunge und Füßen, die in Flammen standen, im Vestibül zurück. Ein zerknittertes Stück Papier fiel ihm aus der Hand; er blieb nicht stehen, um es aufzuheben. Ich glaube nicht, dass er bemerkte, dass er es hatte fallen lassen.
    Es war ein Western-Union-Telegramm; ich erkannte das gelbe Papier. Er hatte den Empfang erst vor einer Stunde bestätigt, ungefähr um dieselbe Zeit wie meine Lehrstunde mit dem Monstrumologen drei Meilen weiter weg am Riverside Drive.
    Das Überseetelegramm lautete:
    VERTRAULICH –
    VERLASSE LIVERPOOL MORGEN.
EINTREFFE NY DONNERS. SCHRECKLICHE NEUIGKEITEN. MISSERFOLG AN ALLEN FRONTEN. WARTHROP IST TOT.
    Es war mit »Arkwright« unterschrieben.

Achtzehn
    »Der Beste von uns«

    Jacob Torrance kippte sein Glas Whiskey hinunter, strich seinen akkurat gestutzten Schnurrbart glatt und trommelte dann mit den Fingern aggressiv auf der Armlehne seines Ohrensessels herum. Sein rubinroter Siegelring, in den das Motto der Gesellschaft (Nil timendum est) eingeprägt war, funkelte und sprühte das Licht zurück. Seine Schuhe glänzten so strahlend wie sein Ring, und außer den in seine Hose eingebügelten gab es nirgendwo eine Falte an ihm; er sah aus wie ein Mann, der aus Stein gemeißelt war, eine griechische Statue, die einen perfekt geschnittenen Anzug trug. Auch sein Gesicht war das einer Statue oder vielmehr das von jemandem, der für eine hätte Modell stehen können – Kiefer kantig, Kinn kräftig, Nase gerade, Augen groß und seelenvoll, wenn auch ein bisschen zu dicht beieinander, was ihm einen fortwährend verärgerten Ausdruck verlieh, als könnte er jeden Moment ausholen und einem ins Gesicht schlagen.
    Mit neunundzwanzig fehlte Jacob Torrance noch ein Jahr an dem, was Monstrumologen die »magische Dreißig« nannten, eine Anspielung auf die durchschnittliche Lebenserwartung eines Gelehrten auf dem Gebiet der anomalen Biologie. (Die durchschnittliche Lebenserwartung in den Vereinigten Staaten betrug zu der Zeit etwas mehr als zweiundvierzig Jahre.) Die »magische Dreißig« zu erreichen hieß, die Wahrscheinlichkeit Lügen gestraft zu haben. Normalerweise schmissen die Kollegen dann eine Party für einen. Magische Dreißiger, wie dieseBacchanalien hießen, konnten tagelang dauern, und man sagte ihnen nach, dass sie sich mit den Ausschweifungen am Hofe Caligulas im alten Rom messen konnten. Es gab nichts, was einem Monstrumologen mehr Vergnügen bereitete, als dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, außer es handelte sich um die Entdeckung irgendeiner Kreatur, der es ein Vergnügen bereitete, selbigen auszuteilen. Warthrops magische Dreißig war gefeiert worden, bevor ich zu ihm gekommen war, aber nach allem, was man hörte, stellte sie alle anderen vor ihr in den Schatten; tatsächlich wagten es noch Jahre später viele seiner Kollegen nicht, das Stadtgebiet Bostons zu betreten, aus Angst, festgenommen zu werden.
    Ich hatte von Helrung Torrance wegen seiner Jugend und seiner körperlichen Leistungsfähigkeit vorgeschlagen. (In Monstrumologenkreisen war er so etwas wie eine Legende, von seinen Mitwissenschaftlern mit dem Spitznamen »John Henry« Torrance bedacht, nach dem sagenhaften Kraftprotz, der Nägel mit der bloßen Faust einschlug. Der Doktor hatte mir eine Geschichte über Torrance erzählt, wie dieser einen angreifenden Clunis foetidus mit einem einzigen Hieb auf die Bretter geschickt hatte, wobei er ihm so hart auf die Schnauze geschlagen hatte, dass er vor seinen Füßen tot zusammenbrach.) Ich hatte Torrance auch aus dem simplen Grund vorgeschlagen, weil er einer der wenigen Monstrumologen war, die Warthrop mochte, wenngleich der Doktor Torrances starkes Trinken und unverbesserliches Schäkern nicht guthieß.
    »Es ist eine Schande, Will Henry«, sagte er mir. »Mit großen Begabungen scheinen immer große seelische Bürden einherzugehen. Er wäre der Beste von uns, wenn er bloß seine Gelüste zügeln könnte.«
    Von Helrung paffte nervös am erloschenen Stummel einer Havanna. Er sah abgezehrt aus, die Augen geschwollen von Schlafmangel, am Kinn ein stoppeliger Dreitagebart, über den er unablässig mit seiner dicklichen Hand rieb.
    Es war nicht die beste Woche seines langen Lebens gewesen. Oder meines

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