Der Montagsmann: Roman (German Edition)
auf die Grundmauern ab – und so ein Stall wie dieser hier, dem ein kleines Feuerchen nur gut täte, bleibt stehen.« Sie warf einen abschätzigen Blick in die Runde. »Wissen Sie, man muss nicht Innenarchitektur studiert haben – was ich übrigens getan habe, wenn auch nur ein paar Semester –, um zu sehen, dass das hier nicht viel taugt. Entschuldigen Sie meine Direktheit, aber das ist eine morsche Ruine. Hier fehlt nur eines: eine große, stabile Abrissbirne.«
Fabio starrte sie perplex an. Hatte diese Zicke gerade eben wirklich eine derart bodenlose Gemeinheit von sich gegeben?
Sie stöckelte davon, und wider Willen fixierte er ihre Rückseite, die beinahe so viel hermachte wie ihre Vorderfront. Sie war ein Biest, aber ihr Hintern war eine Klasse für sich, genau wie ihre Beine.
Als hätte sie seine Blicke gespürt, warf sie einen Blick über ihre Schulter. »Sie wissen nicht zufällig, wo Erik und Daphne sind, oder?«
»Wenn Sie Ihren Verlobten und Ihre Freundin meinen – ich glaube, sie sind nach oben gegangen, um die Hochzeitssuite zu besichtigen.«
»Das hat sich jetzt ja wohl erledigt.«
»Ich nehme mal an, Sie finden alleine raus«, sagte er mit frostiger Stimme. »Wiedersehen.«
Ohne sich noch einmal umzuschauen, ging Fabio an Isabel van Helsing vorbei, in Richtung Wirtschaftsräume. Sein letztes Wort war nur eine Floskel. Wenn es nach ihm ging, brauchte ihm diese eingebildete Schnepfe nie wieder unter die Augen zu treten.
F rustriert schaute Isabel ihm nach. Sein durchgedrückter Rücken und sein wütend erhobener Kopf ließen darauf schließen, dass sie nicht gerade Punkte bei ihm gesammelt hatte. Vielleicht hätte sie ihm das Haus nicht ganz so madig machen sollen. Es war nicht zu übersehen, wie viel ihm an dem alten Gemäuer lag.
Trotzdem konnte auch die Begeisterung des Besitzers nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier stank wie aus einer offenen Kloake. Als sie vorhin hergekommen waren, hatten sie es schon von weitem gerochen, doch Daphne hatte gemeint, sie müssten es sich wenigstens anschauen.
»Es sieht so wahnsinnig authentisch aus«, hatte sie gemeint. »So, als wäre es mindestens zweihundert Jahre alt.«
Nach Isabels eigener Einschätzung hatte der Landsitz mindestens drei-, vielleicht sogar vierhundert Jahre auf dem Buckel, und das Mobiliar, das in den verdreckten Zimmerfluchten noch herumstand, konnte auch nicht viel neuer sein.
Für die Feier war dieses Loch völlig inakzeptabel, doch möglicherweise hätte sie es dem stolzen Eigentümer ein bisschen diplomatischer beibringen sollen. Er hatte ziemlich beleidigt dreingeschaut, als er vorhin verschwunden war. Vielleicht lag es daran, dass er Italiener war. Die konnten es am allerwenigsten leiden, wenn man ihr Lieblingshobby schlecht machte.
Und mehr als ein Hobby konnte dieses heruntergekommene Anwesen wirklich für niemanden sein. Falls er sich trotzdem ernsthaft einbildete, daraus in vier Wochen einen Gourmettempel machen zu können, litt er an maßloser Selbstüberschätzung. Nein, an einer Wahnvorstellung.
Von daher hätte sie noch so höflich sein können, er hätte es auf jeden Fall in den falschen Hals gekriegt.
Davon abgesehen war es nicht ihre Schuld, dass ihre Laune auf dem Tiefpunkt war. Nicht nur, dass dieser italienische Obermacho ihr ständig auf den Hintern und die Beine geglotzt hatte – sie wusste einfach nicht, was mit ihr los war. Seit Tagen war sie so nervös, dass sie bei der leisesten Irritation aus der Haut fuhr. Es ging um diesen Hochzeitstermin. Es ging … um die Hochzeit überhaupt.
Nicht nur um die Feier oder die Örtlichkeit. Sondern das Heiraten an sich.
Woher kam es eigentlich, dass immer wieder die Szene vor ihrem geistigen Auge ablief, in der Erik sie fragte, ob sie ihn heiraten wollte? Sie hörte sich jedes Mal Ja sagen. Aber manchmal kam in der Szene auch eine andere Antwort vor.
Zum Beispiel Ich weiß nicht . Oder Warum so plötzlich? Oder Wozu denn heiraten?
Und einmal auch ganz einfach Nein .
Sie fand eine von Staubmäusen besiedelte Treppe, die nach oben führte.
»Erik?«, rief sie, als sie sich dem ersten Obergeschoss näherte. »Daphne? Wo seid ihr?«
Hier oben roch es nicht ganz so stark nach Latrine wie unten, aber dafür gab es ungleich mehr Staub und Spinnweben. Isabel wischte sich eine Hand voll der hauchfeinen Schlieren vom Gesicht und spuckte angewidert aus. Ob dieser Fabio Dingsbums überhaupt Personal hatte? Bis jetzt hatte sie hier keine Menschenseele gesehen
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