Der Montagsmann: Roman (German Edition)
außer ihm selbst.
Sie fischte die Visitenkarte aus ihrer Tasche, weil sie schon wieder vergessen hatte, wie er hieß. Santini. Fabio Santini. Netter Name, richtig italienisch. Aus Neapel, hatte Daphne gesagt, und dass er in Paris bei einem Fünf-Sterne-Guru gekocht hatte, bevor er sein eigenes Restaurant aufgemacht hatte.
Ein halbwegs breiter Gang führte zwischen steinernen Wänden hindurch, die bis auf Kopfhöhe mit dicken alten Eichenpaneelen beschlagen waren. Immerhin, das machte was her, wie Isabel sich selbst gegenüber einräumen musste. So ganz Unrecht hatte Daphne sicher nicht, es war wirklich authentisch. Und wenn man nur genug Geld und Zeit übrig hatte, ließ sich vielleicht tatsächlich was aus dem Objekt machen, möglicherweise sogar ein angesagtes Restaurant. Aber wenn, dann höchstens in ein paar Monaten, auf keinen Fall in ein paar Wochen. Vielleicht sollte sie die Hochzeit einfach verschieben. Wer musste schon gleichzeitig heiraten und Geburtstag feiern! Oder noch besser: Sie konnten noch ein Jahr warten, dann würde sie dreißig werden. Ein runder Geburtstag war viel eher ein Grund zum Feiern als ein popeliger neunundzwanzigster.
»Erik, bist du hier oben? Daphne? Huhu!«
Isabel spitzte die Ohren, als sie Stimmen hörte. Rechts von ihr befand sich in dem dicken Mauerwerk eine schmale Tür, und als sie dort vorbeikam, wurden die Stimmen deutlicher. Ohne zu zögern, drückte sie die Tür nach innen auf. Sie öffnete sich knarrend und quietschend in einen dunklen, modrig riechenden Raum, der ebenso wie die Wände des Gangs mit Eichenholz getäfelt war. Falls es in dem Zimmer ein Fenster gab, so war es jedenfalls gut verrammelt, denn es fiel, außer der spärlichen Helligkeit des Gangs, kein Lichtstrahl in den Raum.
Die Stimmen waren bei geöffneter Tür noch besser zu hören. Isabel meinte sie als die von Erik und Daphne zu erkennen, sie konnte sogar einzelne Wortfetzen verstehen. Einmal war sie sicher, ihren eigenen Namen gehört zu haben.
Trotzdem bestand kein Zweifel daran, dass sich in diesem Zimmer außer ihr keine Menschenseele aufhielt. Überall hingen dichte Spinnweben, und die Staubschicht, die trotz des Dämmerlichts gleich hinter der Türschwelle zu erkennen war, sah aus, als hätte sich seit Jahrzehnten kein Mensch mehr hierher verirrt.
Die Stimmen klangen seltsam hohl und weit entfernt, wie von Gespenstern, die in den Wänden hausten.
In den Wänden … Isabel wartete ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen den dürftigen Lichtverhältnissen angepasst hatten, dann trat sie in das dunkle Zimmer.
F abio schliff das Filetiermesser mit dem Wetzstein und betrachtete es dann gegen das Licht, um die Schärfe der Klinge zu überprüfen. Hauchfein, so wie es richtig war.
»Wen willst du damit umbringen?«, fragte Natascha. »Du siehst aus, als wärst du sehr, sehr wütend.«
»Das liegt vielleicht daran, dass ich wütend bin .« Er packte den Edelfisch, den es heute zum Dinner geben würde, am Schwanz und klatschte ihn auf die blitzende Edelstahlanrichte, wo er ihn der Länge nach aufschlitzte.
Natascha, die am Herd stand und Fond für die Sauce einkochte, hob den Kochlöffel. »Du bist sauer auf die blonde Prinzessin. Wie hieß sie gleich?«
»Isabel van Dingsbums. Weiß nicht mehr.«
»Sie fand es wohl nicht so toll hier, oder?«
Er zuckte nur mit den Achseln.
»Ich hab’s dir ja gleich gesagt. Das Gesetz der Serie ist gegen uns.«
»Du mit deinen Würfeltheorien«, sagte er. Bevor Natascha sich aufs Kochen verlegt hatte und fett geworden war, war sie als Showgirl in einem Casino in Las Vegas aufgetreten.
»Wieso? Es stimmt doch. Eine Pechsträhne ist eine Pechsträhne.« Natascha stellte die Temperatur des Gasherdes eine Idee niedriger und wedelte mit ihrer vielfach beringten Hand. »Zuerst der Hammer mit den undichten Gästeklos«, zählte sie auf. »Dann die Sache mit dem feuchten Keller. Ach ja, und der Typ von der Baubehörde, der uns ständig die Hölle heiß macht.« Sie dachte nach. »Hab ich was vergessen?«
Er hätte sie auf das Desaster mit dem Schreiner hinweisen können oder auf den Ärger mit den Installationen und auf Harrys Grippe, doch das wusste sie alles schon selbst.
Er nahm die Innereien aus dem Fisch, filetierte ihn fachgerecht und legte ihn zur Seite. Anschließend schob er sich ein Brett zurecht und packte ein paar fertig geputzte Möhren darauf. Ein anderes Messer trat in Aktion, ebenso scharf geschliffen wie das, was er vorhin für den Fisch benutzt
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