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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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wird, er fragt sich, ob es vielleicht das Geräusch seines Blutes ist, das durch seinen Kopf strömt.
    »Sie haben natürlich das Recht zu erfahren, warum Sie hier sind«, sagt Sejer. Er spielt mit einem Kugelschreiber. »Ich weiß es übrigens sehr zu schätzen, daß Sie mitgekommen sind.«
    Wieder diese tiefe Stimme, ein angenehmer Klang, der der Ernsthaftigkeit die Schärfe nimmt. Charlos Bedenken sind geweckt. Er hätte sich vielleicht weigern sollen. Ist es vielleicht so, daß er schon in die erste Falle getappt ist? Nein, er ist doch unschuldig, natürlich steht er zur Verfügung. Er weiß nicht, was klug ist. Sollte er empört sein, ein wenig verärgert, weil er einfach so geholt worden ist, wo er doch mit anderen Dingen beschäftigt war? Er arbeitet doch, hat Pflichten.
    »Natürlich«, sagt er und rutscht im Sessel hin und her. »Bitte, erklären Sie es mir. Sie wissen, ich muß meine Tochter abholen, sie wird bald fertig sein.«
    Sejer schaut auf seine Armbanduhr.
    »Dafür habe ich volles Verständnis. Deshalb fangen wir jetzt an. Zuerst, nur der Ordnung halber. Sie heißen Charles Olav Torp. Geboren am 2. April 1963?«
    »Ja.«
    »Wohnhaft Blomsgate 20?«
    »Stimmt.«
    Sejer schaut in seine Unterlagen.
    »Und Sie haben eine Tochter, Julie Torp, geboren am 27. Mai 1988?«
    Charlo erschrickt. Er will nicht, daß Julie erwähnt wird, sie soll in diese Sache nicht hineingezogen werden.
    »Richtig«, sagt er laut. Schon flackern seine Augen, er sucht nach einem festen Punkt und entscheidet sich für den Hund an der Wand. Der schläft.
    »Und sie wohnt in einem möblierten Zimmer in der Oscarsgate 2. Besucht die Gesamtschule Allsaker?«
    »Ja.«
    Sejer macht sich Notizen, schaut kurz auf. »Haben Sie irgendeinen Ausweis bei sich? Das ist nur eine Formsache.«
    Charlo zögert, versteht das nicht. Holt aber trotzdem seine Brieftasche hervor und legt sie auf den Tisch. Die braune, verschlissene Brieftasche, fast schämt er sich wegen ihres schlechten Zustandes. Der Reißverschluß ist defekt, das Leder vollkommen abgewetzt. Sein Blutspenderausweis ist schon ganz altersgelb, er spendet nicht mehr, weil es dafür kein Geld mehr gibt. Er nimmt seinen Führerschein heraus und schiebt ihn über den Tisch. Sejer mustert ihn genau, dann sieht er zur Brieftasche hinüber. Charlo fühlt sich unwohl. Der Stallgeruch hängt in seinen Kleidern und breitet sich im Zimmer aus. Er bekommt seinen Führerschein zurück, steckt die Brieftasche in die Jacke.
    »Wir müssen zurück in den Monat November.«
    Sejer legt den Kugelschreiber hin. Legt die Hände auf dem Tisch aufeinander.
    »Und ich weiß, daß es nicht leicht ist, sich immer daran zu erinnern, wo man war und was man getan hat. Ich weiß, daß es nicht leicht ist, sich an Uhrzeiten zu erinnern. Vergessen ist doch menschlich. Aber ich habe Grund zu der Annahme, daß Sie sich an einzelne Dinge erinnern werden. Deshalb sind Sie hier. Ich glaube, Sie können uns in Verbindung mit einem schwierigen Fall helfen. Deshalb sind Sie hier. Verstehen Sie?«
    »Ja.«
    Der Hauptkommissar legt eine Pause ein.
    »Wir haben gute Gründe zu der Annahme, daß Sie am 7. November in einen Autounfall verwickelt waren, genauer gesagt in Hamsund.«
    Charlo beißt sich auf die Lippe, als ob er sich zu erinnern versuchte. Er kneift die Augen zusammen und nickt schließlich langsam.
    »Ja«, sagt er nachdenklich. »Ich hatte einen leichten Autounfall. Irgendwann im Herbst«, fügt er hinzu, »aber an das Datum kann ich mich nicht erinnern. Doch, es war in Hamsund. Das ist sicher richtig, es war eine ärgerliche Geschichte.« Wieder nickt er. Schaut Sejer in die Augen, das erfordert eine gewisse Anstrengung. Er hofft bei Gott, daß seine Pupillen normal aussehen.
    »Dieser Unfall interessiert mich«, sagt Sejer. »Deshalb würde ich ihn gern Punkt für Punkt mit Ihnen durchgehen.«
    Charlo schüttelt verständnislos den Kopf.
    »Dazu gibt es nicht viel zu sagen.«
    Er merkt, wie ihm unter den Armen der Schweiß ausbricht.
    »Das war ein junger Mann, der die Vorfahrt nicht beachtet hat. Er fuhr einen kleinen Toyota. Ich hatte Vorfahrt«, erklärt er, »er hat meinen rechten Kotflügel getroffen.«
    Sejer läßt sich zurücksinken. Er reckt seinen langen Körper, sieht entspannt und behaglich aus. Charlo kann sich nicht beherrschen.
    »Woher wissen Sie, daß ich mit diesem Unfall zu tun hatte?«
    Sejer schweigt weiter, sieht ihn nur an, aus seinen grauen Augen. Er ignoriert diese Frage. Charlo hat das

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