Der Mord zum Sonnntag
und sackte am
Geländer zusammen. Aus weiter Ferne nahm sie ein
knirschendes, splitterndes Geräusch wahr und Willys
Schreckensrufe.
Willy war nicht so lange geblieben, um auch nur einen
Refrain von «Danny Boy» zu singen. Nach dem Dinner,
ein paar Gläsern Bier und der Gratulationscour bei Pete
hatte ihn eine innere Stimme gedrängt, nach Hause zu
gehen. Als er die Wohnung betrat und die kämpfenden
Gestalten an der Terrassenbrüstung sah, erstarrte er vor
Entsetzen. Unter lauten Rufen nach Alvirah stürzte er
durch das Zimmer.
«Komm rein, Schatz», flehte er, «Komm zurück.» Dann
wurde ihm klar, was die andere Frau tat. Er betrat die
Terrasse, sah, wie sich ein Mauerteil löste und niederfiel,
so daß neben Alvirah jetzt eine gähnende Lücke klaffte.
Willy ging den zweiten Schritt darauf zu und kippte um.
Beth! Diane! Während der ganzen Taxifahrt vom
Polizeirevier nach Central Park South balancierte Emmy
auf der Sitzkante. Sie hatte dort gewartet, bis ihre Aussage
getippt vorlag, in verzweifelter Angst um Brian; sie
erinnerte sich, wie er sie angeschaut hatte, als er Victoria
Rumson erzählte, daß sie die Hauptrolle in seinem neuen
Stück spielen würde. An der Diane liegt mir nichts, wenn
nur mit Brian alles in Ordnung ist, dachte sie. Nicht Diane,
sondern Beth. Brian hatte den Namen geändert. Dann
hörte sie Victoria Rumson sagen: «Sie sollten die Rolle
der Diane spielen.» Damit paßte alles ins Bild. Victoria
Rumson, von rasender Eifersucht erfüllt, Victoria, die
ihren Mann vor ein paar Jahren beinahe an Fiona verloren
hätte …
Emmy war aufgesprungen und aus dem Revier
davongestürzt. Sie mußte mit Alvirah sprechen, bevor sie
ein Wort zu den Polizisten sagte. Sie hörte einen Polizisten
hinter sich herrufen, reagierte jedoch nicht, als sie dem
Taxi winkte.
In Central Park South angekommen, raste sie zum
Fahrstuhl. Als sie den Flur entlangging, hörte sie Willy
schreien. Die Tür war offen. Sie sah Willy die Terrasse
betreten und umfallen. Sie sah die Silhouetten von zwei
Frauen und erkannte, was sich da abspielte.
Wie ein geölter Blitz raste Emmy auf die Terrasse. Sie
fand sich Alvirah gegenüber, die über dem Abgrund hing.
Ihre rechte Hand umklammerte den noch vorhandenen
Teil des Geländers. Victoria Rumson schlug mit beiden
Fäusten auf diese Hand ein.
Emmy packte Victorias Arme und drehte sie ihr auf dem
Rücken zusammen. Victorias wütendes Wehgeschrei
übertönte das Krachen, mit dem die Terrassenmauer auf
die Straße stürzte. Emmy stieß sie beiseite und konnte die
Kordel von Alvirahs Bademantel packen. Alvirah
schwankte. Ihre Pantoffeln rutschten nach hinten weg. Ihr
Körper schwebte 34 Etagen über dem Gehsteig. Mit
äußerster Kraftanstrengung zerrte Emmy sie zurück, und
sie fielen zusammen auf den bewußtlos daliegenden Willy.
Alvirah und Willy schliefen bis Mittag. Als sie endlich
aufwachten, bestand Willy darauf, daß Alvirah
liegenblieb. Er ging in die Küche, kam nach fünfzehn
Minuten zurück mit einem Krug Orangensaft, einer Kanne
Tee und einem Teller Toast. Nach der zweiten Tasse Tee
war Alvirahs gewohnter Optimismus zurückgekehrt.
«Junge, Junge, war das ein Segen, daß Rooney gleich nach
Emmy reingeplatzt kam und sich Victoria Rumson
geschnappt hat, bevor sie fliehen konnte. Und weißt du,
was ich denke, Willy?»
«Ich weiß nie, was ich denken soll, Schatz», seufzte
Willy.
«Einer der Gründe, weshalb Carleton Rumson nie ’ne
Scheidung verlangt hat, ist das Geld – er wollte keine
Vermögensteilung. Wenn die einäugige Vicky im Kittchen
sitzt, braucht er sich darüber keine Gedanken mehr zu
machen. Und ich gehe jede Wette ein, daß er Brians Stück
trotzdem herausbringt.»
Nach kurzer Pause fuhr Alvirah fort: «Und noch was,
Willy. Ich möchte, daß du mit Brian sprichst und ihm
sagst, er soll diese reizende Emmy lieber heiraten, bevor
sie ihm ein anderer wegschnappt.» Sie strahlte. «Ich hab’
auch genau das richtige Hochzeitsgeschenk für die beiden,
jede Menge weißer Möbel.»
Es klingelte. Willy schlüpfte mit einiger Mühe in seinen
Morgenrock und eilte zur Tür. Als er aufmachte, kamen
Brian und Emmy hereinspaziert. Nach einem Blick in ihre
freudestrahlenden Gesichter und auf die fest ineinander
verschlungenen Hände meinte Willy:
«Ich hoffe nur, daß Weiß eure Lieblingsfarbe ist.»
KLEMPNER WILLYS
MEISTERSTÜCK
Hätte sich Alvirah Meehan in einer Kristallkugel Einblick
verschaffen
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