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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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können über den Verlauf der nächsten zehn
Tage, dann hätte sie Willy bei der Hand genommen und
fluchtartig den grünen Raum verlassen. So aber saß sie
seelenruhig da und plauderte mit den übrigen Gästen der
Sendung von Phil Donahue. Diesmal standen weder
Sexorgien noch ramponierte Ehemänner auf dem
Programm, sondern Menschen, die sich ihr Leben durch
einen stattlichen Lotteriegewinn verpfuscht hatten. Die
Donahue-Show hatte sich mit dem Hilfskomitee für
Lotteriegewinner in Verbindung gesetzt und einige der
schlimmsten Fälle ausgesucht. Alvirah und Willy sollten
dazu das Gegenbeispiel abgeben, hatte ihnen die
Reporterin erklärt. «Weiß der Himmel, was sie damit
gemeint hat», lautete Alvirahs Kommentar nach dem
ersten Interview.
    Für ihren Auftritt hatte sie sich das Haar frisch färben
lassen in dem gedämpften Erdbeerrot, das ihr
scharfgeschnittenes Gesicht weicher erscheinen ließ.
Morgens hatte Willy ihr versichert, sie sähe noch
haargenau so aus wie damals vor vierzig Jahren, als sie
sich beim Tanz am Kolumbustag zum erstenmal begegnet
waren. Baronin Min von Schreiber war von Cypress Point
Spa in Pebble Beach nach New York geflogen, um
Alvirahs Garderobe für die Sendung auszusuchen.
«Vergiß ja nicht zu erwähnen, daß du sofort nach dem
Lotteriegewinn als erstes nach Cypress Point Spa
gekommen bist», schärfte sie Alvirah ein. «Bei dieser
verdammten Rezession blüht das Geschäft nicht gerade.»
    Alvirah trug ein hellblaues Seidenkostüm mit weißer
Bluse und als Markenzeichen ihre rosettenförmige
Anstecknadel.
    Wenn sie es doch nur geschafft hätte, die zwanzig Pfund
wieder loszuwerden, die sie bei der gemeinsamen
Spanienreise im August zugelegt hatte! Und doch wußte
Alvirah, daß sie sehr hübsch aussah. Das heißt – für ihre
Verhältnisse. Sie machte sich keine Illusionen, daß sie mit
ihrem etwas vorspringenden Unterkiefer und dem
kompakten Körperbau jemals ausersehen würde, an einer
Schönheitskonkurrenz teilzunehmen.
    Außer ihnen waren zwei weitere Gruppen geladen: drei
Mitarbeiter einer Damenwäschefabrik, die vor sechs
Jahren zusammen zehn Millionen Dollar gewonnen hatten.
Im festen Glauben an ihre Glückssträhne beschlossen sie,
das Geld in Rennpferde zu investieren, und nun waren sie
pleite. Mit den noch zu erwartenden Schecks mußten sie
ihre Schulden bei der Bank und bei Onkel Sam abdecken.
Die anderen, ein Ehepaar, hatten mit ihrem Gewinn von
sechzehn Millionen Dollar ein Hotel in Vermont gekauft
und rackerten sich sieben Tage in der Woche bei dem
Versuch ab, die Unkosten zu decken. Was sie erübrigen
konnten, wurde für Zeitungsanzeigen verwendet, in der
Hoffnung, das Hotel anderweitig zu verscherbeln.
    Ein Assistent erschien, um sie ins Aufnahmestudio zu
bringen.
Alvirah war mittlerweile an Fernsehauftritte gewöhnt.
Sie wußte, daß sie sich ein wenig schräg hinsetzen mußte,
um etwas schlanker zu wirken. Sie trug keine klobigen
Schmuckstücke, um störende Nebengeräusche zu
vermeiden. Sie äußerte sich in kurzen, präzisen Sätzen.
Willy dagegen scheute nach wie vor die Öffentlichkeit.
Auch wenn Alvirah ihm immer wieder versicherte, wie
toll er aussähe und daß die Leute ihn für Tip O’Neill
hielten, war er am glücklichsten, wenn er mit einer Zange
in der Hand eine undichte Leitung reparierte. Willy war
der geborene Klempner.
Donahue begann in seinem üblichen forschen, leicht
skeptischen Tonfall. «Können Sie sich vorstellen, daß Sie
ein Hilfskomitee benötigen, nachdem Sie etliche
Millionen Dollar in der Lotterie gewonnen haben? Können
Sie sich vorstellen, daß Sie pleite sind, auch wenn immer
noch dicke Schecks bei Ihnen eingehen?»
«Nein», brüllte das Publikum im Studio pflichtschuldig.
Alvirah zog den Bauch ein, ergriff dann Willys Hände
und verschränkte ihre Finger ineinander. Sie wollte nicht,
daß er auf dem Bildschirm nervös wirkte, wenn viele ihrer
Verwandten und Freunde zuschauten. Schwester Cordelia,
Willys älteste Schwester, hatte einen ganzen Haufen im
Ruhestand lebender Nonnen ins Kloster eingeladen, damit
sie sich die Sendung ansehen konnten.
Drei Männer, die das Programm begierig verfolgten,
zählten nicht zu Donahues Stammpublikum. Sammy,
Clarence und Tony waren gerade aus dem
Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses bei Albany
entlassen worden, wo sie zwölf Jahre wegen Beteiligung
an dem bewaffneten Raubüberfall auf einen Geldtransport
gesessen hatten. Zu ihrem Pech

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