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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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hätte von Mansur verlangt, jede zweite Nacht bei mir zu verbringen! Ich erwarte von ihm nichts anderes, als mein Ehemann zu sein, der mich beschützt. Es genügt mir, daß Gott mir diese Kinder geschenkt hat und daß meine Feinde sich nicht freuen können. Der bloße Respekt genügt mir. Ich will nur seinen Namen tragen. Ich will nur, daß diese Kinder unter seinem Schutz aufwachsen.«
    Ich sagte, »Ich könnte es nicht ertragen, wenn Ihren Kindern ein Härchen gekrümmt würde, Chanum. Bei keinem Kind könnte ich es ertragen. Ich hatte selber einen Sohn.« Und die Tränen liefen mir über das ganze Gesicht. Ich sagte mir, ›Verdammt noch mal. Fängst du schon wieder an zu flennen? Kannst du dich wieder nicht beherrschen?Schon wieder…‹ Aber diese alte Wunde heilte nicht, sie würde nie heilen.
    Sie wurde verlegen und sagte, »Entschuldigen Sie bitte, daß ich Ihnen Kummer bereite. Gleich am frühen Morgen…«
    » Sie haben mir keinen Kummer bereitet. Diesen Schmerz habe ich mir selbst zugefügt. Dieses Elend habe ich teuer bezahlt. Es gibt keinen Tag, an dem ich mir nicht sage, ›Was habe ich bloß verbrochen.‹«
    Sie erhob sich von ihrem Platz, küßte mich auf den Kopf und sagte liebevoll, »Viele würden gern mit dir tauschen. Eine davon bin ich.« Sie hüllte sich in ihren Tchador und ging.
    Ich saß allein am Korsi und sah aus dem Fenster. Ich wunderte mich über das Spiel des Schicksals. Wir drei bildeten ein absurdes und bedauernswertes Dreieck. Wir besaßen alles und doch nichts. Nimtadj wünschte sich nur Kinder, den Namen ihres Ehemanns zu tragen und unter seinem Schutz zu stehen. Alles andere kümmerte sie nicht. Mansur wünschte sich eine junge, hübsche Frau, die ihn für das pockennarbige Gesicht seiner Ehefrau entschädigte, und ich, weh mir. Ich hatte einen Ehemann und doch keinen. Ich hatte Kinder und doch keine. Meine Anwesenheit in diesem Haus war notwendig, doch spielte sie im Leben von Mansur und Nimtadj keine Rolle. Wir waren zwei Frauen, die einander ergänzten und sich als Rivalinnen notgedrungen erdulden mußten. Die Gegenwart der anderen hatte uns Glück beschert, doch litten wir zugleich unter ihr. Das war das Kismet, das mir zuteil geworden war, und das war das Schicksal, das ich Mansur und Nimtadj zugefügt hatte.
    In der winterlichen Kälte hatten wir es uns in dem Häuschen am Ende des Hofs warm und gemütlich eingerichtet. Mit Dienerin, Diener und Gärtner an meiner Seite hatte ich nicht viel zu tun. Eigentlich hatte ich gar nichts zu tun. Auf der Nordseite meines Hauses führte eine Tür zu einem Eiwan. Im Frühling stellte man dort Bougainvillea und Lobelien auf und im Sommer Töpfe mit Jasmin. Im Hauseingang befand sich ein kleiner Treppenabsatz, auf den ich einen Läufer gelegt hatte. Neben die Tür hatte ich einen Holztisch mit Intarsien gestellt und darüber einen verhältnismäßig großen Bronzespiegel gehängt. Auf den Intarsientisch stellte ich stets eine Vase mit Blumen. Dem Spiegel gegenüber hatte ich eine Garderobe aus Walnußholz anbringen lassen. Auf den Tisch folgte eine Tür, diein mein Empfangszimmer führte. Die Zimmer waren mit Teppichen reich ausgelegt, sie waren mit schweren Möbeln bestückt und mit Gemälden geschmückt, die Mansur ausgesucht hatte. Das Haus besaß eine mystische Ausstrahlung. Dennoch war ich von Trauer erfüllt. Wie ein rastloser Geist irrte ich durch die Räume und wünschte mir, all das gegen einen kleinen Jungen zu tauschen. Einen Jungen, der ein buntes Nachtkäppchen trug und am Beckenrand spielte.
    Mansur liebte die Malerei und das Tar-Spiel. Er liebte Bücher und trank gelegentlich Wein. Auf der linken Seite des Hauses befanden sich zwei Räume, die durch eine Tür miteinander verbunden waren. Unser Schlafzimmer besaß ein Fenster, das auf den Hof führte, und das Wohnzimmer, das dahinter lag und von Osten Licht erhielt, besaß einen Kamin, der später einem Ölofen Platz machte. Ich liebte dieses Zimmer sehr. Es war verhältnismäßig groß. Neben das Fenster hatte ich ein Sofa gestellt und zu beiden Seiten des Kamins schwere Sessel, vor denen je ein kleiner Tisch stand, der mit Deckchen geschmückt war, die ich selbst bestickt hatte.
    Dennoch stellte ich im Winter auch noch einen kleinen Korsi neben den Kamin. Er war so geschmackvoll hergerichtet, daß sein Anblick alle entzückte. Obwohl sich Mansurs Bibliothek in Nimtadjs Wohnung befand, die selbst gerne las, hatte er für die Nächte, die er bei mir verbrachte, ein paar

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