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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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rezitierte. Ich wünschte, das Feuer im Wandofen würde nie erlöschen. Seine Worte waren liebevoll und sanft und bezeugten Kultiviertheit und Wissen. Sein Plaudern besänftigte mein müdes Herz, das sich nach Liebkosung sehnte und das nach Zuneigung dürstete. Seine Blicke wirkten wie Balsam auf mein wundes Herz. Ich wußte, auf ihn konnte ich mich verlassen. Ich wußte, er würde mir beistehen. Er war ein Mann, der seine Ehefrau respektierte.
    Er spielte für mich auf der Tar – nur zu meinem und seinemWohlgefallen. Die Tage rannen friedlich und geruhsam dahin wie ein Bach, der eine Böschung herabfließt. Die Lichter in Nimtadjs Haus brannten nur einen Monat lang nicht.
    An dem Tag, an dem Nimtadj mit ihren Kindern und Ashrafs Sohn von der Wallfahrt nach Mashhad zurückkehrte, schlief ich friedlich neben Mansur. Es war zehn Uhr morgens. Der Lärm des Kommens und Gehens und das Gekreisch der Kinder weckten uns. Mansur sprang aus dem Bett und sah die Kinder durch das Fenster. Sie waren einen Tag zu früh zurückgekehrt. Er kleidete sich blitzschnell an und wiederholte ständig, »Zieh dich an, Mahbube. Mach schnell. Die Chanum ist gekommen. Wir müssen sie besuchen gehen.«
    Ich sprang aus dem Bett und drehte mich kopflos im Kreis. Ich öffnete meinen Kleiderschrank, um ein passendes Kleid zu finden, kämmte mir das Haar und ging mir das Gesicht und die Hände waschen. Doch Mansurs ständiges ›Chanum‹ machte mich wahnsinnig. Es kränkte mich, daß er sagte, wir müßten sie empfangen gehen. Ich war doch nicht beschränkt, sondern kannte meine Pflichten nur zu gut. Wenn Mansur doch nur aufhörte, Anweisungen zu geben und mich zu verwirren. Dennoch lächelte ich. Ich war gerade dabei, meine Schuhe anzuziehen. »Wird gemacht, Mansur Djan. Ich bin gleich bereit.« Zugleich kochte ich vor Zorn. Am liebsten hätte ich alles in Brand gesteckt.
    Ich frisierte mich nicht. Ich wollte weiter kein Aufheben um mich machen. Es war nicht nötig. Wozu sollte ich mich selbst darstellen, wenn die Rivalin ihre eigenen Mängel akzeptiert hatte? Wenn sie bereits im Voraus besiegt war? Mansur sagte, »Binde dein Haar zusammen, Mahbube. Laß es nicht so wild herumhängen.«
    Ich war dabei, mein Haar hochzustecken, als Nimtadjs Dienerin die Nachricht brachte, ihre Chanum sei auf dem Weg. Sie hätte sich erst ein wenig frischmachen wollen und würde in ein paar Minuten eintreffen.
    Ich hatte gerade erst mein Haar zusammengesteckt, als die Tür sich öffnete und eine Dame in einem weißen, geblümten Gebets-Tchador eintrat. An der Art und Weise, wie sie ihr Gesicht mit dem Tchador verhüllte, merkte ich, daß es Nimtadj war. Nur ihre Augen waren sichtbar. Obwohl sie sehr groß und mandelförmig waren, konnte man die Spuren der Pocken auf ihren Lidern erkennen.
    »Salaam.«
    Ihre Stimme klang munter und fröhlich. Die Haarnadel, die ich mir eilig ins Haar gesteckt hatte, löste sich und mein Haar breitete sich aus. Vielleicht hätte ich, wenn Mansur nicht so ausdrücklich darauf bestanden hätte, die Nadel fester ins Haar gesteckt oder statt einer gleich drei oder vier genommen.
    Ich sagte, »Ach, ich wollte Sie begrüßen kommen.«
    Sie musterte mich vom Scheitel bis zur Sohle, »Was macht es für einen Unterschied? Außerdem sind Sie die frisch vermählte Braut. Es war meine Pflicht.«
    Aus ihren Worten war keine Spur von Eifersucht oder Spott zu hören. Ihr Tonfall entwaffnete den ärgsten Feind. Ich vergaß Mansur. »Bitte begeben Sie sich ins Gästezimmer. Gott lasse mich sterben, der Ofen brennt ja auch noch nicht!«
    »Nein, nein. Ich will Sie nicht stören. Ich werde mich ins Wohnzimmer setzen. Dort unter dem Korsi ist es bequemer.«
    »Bitte schön. Herzlich willkommen.«
    Sie war größer als ich, ungefähr so groß wie Mansur. Sie setzte sich an den Korsi. Sein Feuer war erloschen. Ich zündete den Ofen an. Ich spürte ihre Blicke auf meinem Rücken, meinem Haar und meinem ganzen Körper. Ich sagte, »Gleich werde ich zu Diensten sein. Sie müssen entschuldigen.«
    Meine Dienerin hatte Tee zubereitet und servierte ihn. Sie brachte auch Kuchen und Naschwerk. Sie musterte uns beide verstohlen und ging fort. Der Ofen wurde warm. Mansur war zu den Kindern gegangen. Wieder hatte er seine ernste und steife Miene aufgesetzt. Ich setzte mich seitwärts auf die Decke und machte ihr meine Aufwartung, »Sie sind herzlich willkommen, Chanum Bozorg.« Mit dieser Anrede zeigte ich, daß ich ihre Überlegenheit akzeptiert hatte.
    Sie sah

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