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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Bücher mitgebracht und oben in das Regal gegenüber dem Fenster gestellt. Es waren Bücher, die die Aufmerksamkeit jedes Kenners auf sich zogen. Im Winter, wenn der Schnee bereits ganz Shemiran in Weiß gehüllt hatte und weiterhin Flocke um Flocke vom Himmel rieselte, kochte ich ihm jeden zweiten Abend – wenn die Reihe an mir war – Tee. In der kleinen Küche auf der Rückseite des Hauses, die auf den Innenhof führte, bereitete ich ihm eigenhändig die Speisen zu, die er liebte. Das Gebäck, in dessen Herstellung ich es vor lauter Langeweile und Einsamkeit zur Meisterschaft gebracht hatte, schichtete ich auf das Kupfertablett, das auf dem Korsi stand. Ich zog mir hübsche Kleider an und legte Parfüm auf. Ich ließ mein Haar bis auf die Hüften fallen und wartete auf ihn. Er kam und setzte sich. Mittlerweile war er nicht mehr steif und mürrisch. Sobald er durch die Tür trat, wurde er ganz zärtlich und rief, »Mahbub Djan.« Und ich starb vor Eifersucht bei der Vorstellung, daß er Nimtadj genauso ansprach.Vielleicht sogar im selben Tonfall? Nannte er sie ebenfalls Liebste? In meiner Gegenwart sprach er sie stets mit Chanum an. Aber umgekehrt tat er es mit mir genauso. Ich wunderte mich über meine grundlose Eifersucht. Ich war doch nicht in Mansur verliebt. Weshalb begehrte ich ihn dann mit Haut und Haaren? Weshalb begehrte ich sein Herz und seine Seele zugleich? Ich wollte, daß er mir allein gehörte. Daß er nur mich umwarb. Mein Instinkt hatte die Oberhand gewonnen. Wie alle Frauen oder sogar stärker als jede andere war ich besitzergreifend geworden.
    Er setzte sich und betrachtete mich. Er aß zu Abend, las in seinen Büchern und starrte mich erneut an, wie ich umherging. Wie ich mich mit etwas beschäftigte. Den Tisch deckte und wieder abräumte. Wie ich lachte oder betrübt war. Er sagte, »Wehe, wenn du dir die Haare abschneiden läßt, Mahbube! Laß sie auf die Schultern fallen.« Jedesmal, wenn er rief, »Mahbub Djan«, erinnerte ich mich an Rahim und bereute es. Hätte ich mir das nicht angetan, hätte ich nicht die falsche Wahl getroffen, wäre ich jetzt nicht die Kleine Chanum, wäre ich nicht unfruchtbar und würde Mansurs Kind auf dem Arm tragen. Obwohl ich seine Kinder wie meine eigenen betrachtete, lagen zwischen ihnen und meinem Liebling Welten.
    Wann immer die Reihe an Nimtadj war, sagte ich mir, ›Du hast ihn selber in Nimtadjs Arme getrieben‹, und an jedem Tag, an dem die Reihe an mir war, freute ich mich, ihn wiederzusehen, ihn in Besitz zu nehmen und mit ihm zusammen zu sein. Ich sagte mir, dieses Gefühl entspringt nicht der Liebe, sondern dem Wunsch, Nimtadj zu übertrumpfen. Aber eine Stimme in mir rief, ›Du hast ein kostbares Juwel verloren. Du hast dir eine Konkurrentin heraufbeschworen, und jetzt wirst du bestraft.‹ Ich beugte mich dieser Strafe.
    M ansur kam zu mir und spielte für mich auf der Tar.
    »Mansur Djan, spiel leiser. Nimtadj wird es hören und traurig werden.«
    Wollte er mich küssen, »Mansur Djan, zieh die Vorhänge zu. Nimtadj wird es sehen. Das schickt sich nicht.«
    Tagsüber, wenn Mansur seinen Geschäften nachging, kamen die Kinder unbekümmert zu mir gelaufen. Sie beschwatzten mich so lange, bis ich ihnen alles Naschwerk, das sich im Haus befand, hinstellte. Im Sommer schloß sich Mansur dieser sorglosen Schar an. Ich genoß ihr kindliches Geschrei und ihren Schabernack und sah ihnen sehnsüchtig zu. Unwillkürlich kaufte ich Beutel um Beutel mit gerösteten Weizen- und Hanfkörnern, und alle Kinder wußten, daß sie zu mir kommen mußten, wenn sie danach gelüstete. Kinder sind schlau. Sie wußten ganz genau, daß ich in sie vernarrt war, und sie liebten mich ebenfalls sehr. Den Speiseplan bestimmte Nimtadj. Einstellung und Kündigung der Dienstboten waren Nimtadjs Sache. Auch die Erziehung der Kinder war ihre Aufgabe.
    Wenn mich die Kinder besuchen kamen, watschelte Nahid hinter ihnen her. Nimtadjs Haus besaß zwei Stockwerke und war weit größer und prunkvoller als meines. Da Nimtadj Kinder hatte und ich keine. Ich ging sie oft besuchen. Nimtadj kam seltener zu mir, nicht aus Bosheit, sondern weil sie zu beschäftigt war. Im Haus setzte sie nur ein Kopftuch auf und verbarg ihr Gesicht vor niemandem. Ihre Dienerin, die sie auch großgezogen hatte und sehr liebte, verzog bei meinem Anblick stets das Gesicht. Im Haus war sie die einzige, die mich nicht leiden konnte. Ab und zu gab ich den Kindern Unterricht. Ich spielte mit Nahid, die zahnte und in

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