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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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dasaß, so wie er. »Herzlich willkommen. Hast du eine schöne Zeit gehabt?«
    Ich weiß nicht, weshalb ich an den Abend des Tchahar Shanbeh Ssuri denken mußte, an den Vers:
    Hätte es Leili nach anderen gelüstet
    Weshalb zerbrach sie meinen Kelch?
    Ebenso förmlich antwortete ich ihm, »Danke, ich kann nicht klagen.«
    Im Deckenlicht sah ich, daß sich in seinem Haar vereinzelt weiße Strähnen zeigten. Allmählich dünnte sich sein Stirnhaar aus. Er war stämmiger geworden, ein wenig fülliger. Die Kinder waren alle gesund und lebhaft. Ashrafs Sohn war wie gewohnt unruhig und unartig. Er trat unter dem Tisch nach dem Bein seines Bruders und zog an Nahids Haarschleife, bis sich beide über ihn beschwerten. Alle, sogar Nimtadj, schienen aufgeblüht und wirkten fülliger. Es schien, als hätte meine Abwesenheit allen gut getan. Ein feines Lächeln umspielte meine Mundwinkel. Mansur warf mir einen Blick zu, in dem ich Verwunderung aufblitzen sah. Nur für einen Augenblick. Dann war da wieder der kühle und ernste Blick, der den überlegenen Abstand des Familienoberhaupts zu seinen Hausgenossen ausdrückte. Ich wußte sehr wohl, daß hinter dieser förmlichen und kühlen Miene ein heftiges Feuer brannte. Ein Feuer, das bei seinem Eintritt in mein Zimmer aufflammte und ihn in einen zärtlichen, stürmischen und leidenschaftlichen Mann verwandelte.
    Als ich Gute Nacht sagte und in mein eigenes Haus zurückkehrte, war Mansur derart in die Lektüre seiner Zeitung vertieft, daß er mir nicht einmal antwortete.
    In meinem Zimmer hatte ich mich ruhig auf einem Sessel ausgestreckt. Ich trug eine blau-rosa gestreifte Seersucker-Bluse und einen langen Rock. Das Haar hatte ich gelöst und hatte mir das Kollier mit Ashrafi-Münzen umgelegt, das Mansur mir geschenkt hatte. Ich liebte es sehr. Nicht, weil es so wertvoll war, sondern weil es Mansurs Geschenk war.
    Er trat ruhig durch die Tür und schloß sie hinter sich. Er starrte mich an, als würde er eine Porzellanfigur bestaunen. Er war von meiner Schönheit fasziniert. Ich streckte meine Hand aus. Ergeben und voller Verlangen kam er auf mich zu und schloß mich heftig in seine Arme. Er sagte nur, »Solange ich lebe, darfst du nicht mehr ohne mich verreisen.«
    Ich lachte. Das Licht brannte. Er hatte sich auf das Sitzkissen gesetzt, das ich anstelle des Korsi hingelegt hatte, spielte auf der Tarund nippte am Wein. Ich sagte, »Mansur, Nahid wird noch mal ein hübsches Mädchen werden.«
    Er nippte an seinem Weinglas und sagte, »Ja, sie wird wie ihre Mutter. Hätte sie nicht die Pocken bekommen, wäre sie eine hübsche Frau geworden. Nahid gerät nach ihrer Mutter.«
    »Aha«, murmelte ich und glühte vor Eifersucht.
    Er war angeheitert und wurde gesprächig. Er sagte, »Die Ärmste war nicht immer so häßlich. Die Pocken haben sie entstellt. Sie ist bis zum Schulteransatz vernarbt.«
    Also war ihr übriger Körper unversehrt. Also hatte sie eine hübsche Figur. Ganz bestimmt. Hochgewachsen und schlank und hellhäutig, wie sie war, ging sie nicht, sondern schritt leicht und graziös einher. In ihrem Verhalten und ihrer Art zu gehen glich sie einer Prinzessin, und jeder, der hinter ihr herging, wurde neugierig auf das Gesicht, das zu diesem schönen Körper gehörte. So war das also! Er sagte nichts über ihren Körper. Also mußte er hübsch und anziehend sein. Ich sagte, »Aber offenbar hat sie zugenommen.«
    Unaufmerksam oder vielleicht gleichgültig sagte er, »Schließlich ist sie wieder schwanger.«
    Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Neid und Eifersucht überkamen mich. All die Gebete und all der mystische Frieden lösten sich in Luft auf. Wieder erwachte der Instinkt. Das Verlangen, Besitz zu ergreifen und die Erste zu sein. Der Widerwille, den Mann meines Lebens mit einer anderen zu teilen. Die Erwartung, das Herz in der Brust meines Ehemanns würde nur für mich schlagen. Eine verständliche Erwartung, die mir vom ersten Tag an verboten war. Ich hatte von der verbotenen Frucht gekostet und war aus dem Paradies vertrieben worden. Was erwartete ich denn? Weshalb betrog ich mich selber? Weshalb wollte ich mir nicht eingestehen, daß Mansur sie ebenfalls umarmte? Ich glich einer Frau, die ihren Ehemann zum ersten Mal in flagranti ertappt, doch ich bemühte mich, Ruhe zu bewahren. Ich wollte mich nicht mehr selbst täuschen.
    »Im wievielten Monat ist sie?«
    »Der dritte Monat ist fast vorbei.«
    Ach so. Also hatte sich Mansur, während ich den Ärzten die Türen

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