Der müde Bulle
hast also die ganze Nacht an mich gedacht, hm?«
»Ja, ganz bestimmt.« Sie küßte mich von neuem. »Ich habe immer noch dieses ungute Gefühl, daß irgend etwas passieren wird.«
»Jeder Mann, der in die Schlacht zieht, hat dieses Gefühl.«
»Glaubst du denn, unsere Ehe könnte eine Schlacht werden?«
»Wenn das so sein sollte, dann wirst sicher du als Siegerin daraus hervorgehen. Ich werde bedingungslos kapitulieren.«
»Warte nur, bis ich dich heute abend zwischen die Finger bekomme«, flüsterte sie. »Dann wirst du schon sehen, wie du kapitulieren wirst.«
»Dieses grüne Kleid steht dir ganz ungemein gut.«
»Aber grelle Farben gefallen dir trotzdem besser, oder nicht?«
»Natürlich.«
»Sobald wir mal geheiratet haben, werde ich nur noch rote Sachen tragen, und orangerote und gelbe …«
»Ich hätte gern einen Moment mit dir gesprochen.«
»Ja, was gibt's?«
»Cruz hat mir sozusagen die Leviten gelesen – und zwar deinetwegen.«
»Ach ja?«
»Er findet, du wärst das Beste, was mir je hätte zustoßen können.«
»Und weiter?« Sie lächelte.
»Na ja …«
»Ja?«
»Verdammt, ich bring das einfach nicht heraus. Nicht am hellichten Tag und ohne einen einzigen Drink …«
»Worüber habt ihr denn nun eigentlich gesprochen? Du brauchst dich doch deswegen nicht so anzustellen.«
»Über dich haben wir gesprochen. Oder besser, über mich. Über Dinge, die ich brauche und vor denen ich Angst habe. Zwanzig Jahre bin ich mit diesem Kerl nun schon befreundet, um zu guter Letzt doch noch herausfinden zu müssen, daß er ein verdammter Intellektueller ist.«
»Was brauchst du denn? Und wovor hast du Angst? Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß du jemals vor etwas Angst haben könntest.«
»Na ja, Cruz kennt mich eben doch besser als du.«
»Das finde ich schade. Ich möchte nicht, daß irgend jemand dich besser kennt als ich. Erzähl doch, worüber ihr gesprochen habt!«
»Dazu reicht im Augenblick die Zeit nicht aus«, versuchte ich Cassie abzuwimmeln, während sich in meinem Magen bereits wieder eine Luftblase bildete. Und deshalb log ich dann: »Ich bin gerade unterwegs zu einem wichtigen Auftrag und wollte nur kurz mal vorbeischauen. Heute abend werde ich dir dann alles erzählen. Ich komme um halb acht zu dir in die Wohnung, und dann gehen wir essen, einverstanden?«
»Ja.«
»Und später werden wir es uns dann mit einer guten Flasche Wein auf der Couch gemütlich machen.«
»Klingt nicht schlecht.« Sie lächelte dieses strahlende, sehnsuchtsvolle, weibliche Lächeln, und ich küßte sie liebevoll.
»Bis heute abend«, flüsterte ich ihr ins Ohr.
»Bis heute abend«, keuchte sie, so daß mir bewußt wurde, daß ich sie halb erdrückte. Als ich ging, stand sie noch in der Tür und sah mir nach, bis ich die Treppe erreichte.
Zurück im Wagen, nahm ich zwei Verdauungspillen und füllte mir mit einem ordentlichen Vorrat aus dem Handschuhfach die Hosentaschen.
Als ich dann über die vertrauten Straßen des Reviers zurückfuhr, fragte ich mich, weshalb ich mit Cassie nicht so offen sprechen konnte, wie ich es eigentlich wollte. Wenn man eine Frau heiraten will, sollte man ihr eigentlich alles erzählen können, was sie in irgendeiner Weise betrifft.
Schließlich hielt ich vor einer Telefonzelle und rief Cruz auf dem Revier an. Lieutenant Hilliard ging dran, und kurz darauf hörte ich Cruz' leise Stimme, fast fragend: »Sergeant Segovia?«
»Hallo, Sergeant Segovia, hier spricht der künftige ehemalige Officer Morgan. Was machen Sie eigentlich noch, außer mit Ihrem Bleistift zu kritzeln und mit Papier zu rascheln?«
»Und was machst du, außer deine Funksprüche zu ignorieren?«
»Ich fahre in diesem lausigen Revier herum und ziehe mich an dem Gedanken hoch, daß ich das bald nicht mehr tun muß. Hast du dir eigentlich schon überlegt, wohin wir essen gehen sollen?«
»Aber das muß doch wirklich nicht sein.«
»Jetzt hör aber mal, Cruz! Ich möchte, daß wir irgendwo richtig nobel essen, und wenn du nichts Gescheites weißt, dann bestimme eben ich, wohin wir gehen.«
»Also gut, dann gehen wir zu Seymour's.«
»In meinem Revier? Das kommt überhaupt nicht in Frage. Jetzt hör mal, wir treffen uns um halb zwölf in Seymour's. Du kannst dort ja schon mal eine Tasse Kaffee trinken, aber untersteh dich, was zum Essen zu bestellen. Von dort fahren wir dann nämlich zu einem tollen Lokal, das ich in Beverly Hills kenne.«
»Das ist ja genügend weit weg von deinem
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