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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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Messer mit sich rum, und seit kurzem nimmt er diese Hotelzimmer zu jeder Tages- und Nachtzeit aus. Ist ja gut möglich, daß er mal in Raymond's auftaucht und sich was zu trinken bestellt. Vieleicht muß er gerade auf die Toilette, während du dort sauber machst, und vielleicht holt er dort sogar etwas von dem Zeug aus seiner Tasche, das er mitgehen hat lassen, um es sich mal genauer anzusehen. Oder vielleicht sitzt er einfach nur an der Bar rum und holt so einen Klunker raus, oder einer von diesen Hoteldieben, die ständig in Raymond's rumhängen, weiß irgendwas oder erzählt was. Und da du dich dort auch öfter rumtreibst, könntest du vielleicht zufällig mal was aufschnappen.«
    »Klar, Bumper. Ich ruf dich sofort an, wenn ich was hören sollte. Auf der Stelle werde ich dich anrufen. Und wenn du noch ein paar zusätzliche Anhaltspunkte hast, verständigst du mich, ja?«
    »Klar, mache ich, Oliver.«
    »Na, dann haben wir den Kerl ja schon halb«, wieherte Oliver. Er hatte keine Vorderzähne mehr. Bis vor kurzem hatte er jedoch oben noch einen Schneidezahn gehabt.
    »Bis dann also, Oliver.«
    »Halt, Bumper, nicht so schnell! Du hast mir schon lange keine witzige Geschichte mehr erzählt. Wie wär's, wenn du zur Abwechslung wieder mal eine zum besten geben würdest?«
    »Ach, du kennst sie doch sowieso schon alle.«
    »Jetzt stell dich nicht so an, Bumper! Nur eine!«
    »Na, mal sehen. Habe ich dir schon von dieser fünfundsiebzigjährigen Nymphomanin erzählt, die ich mal auf der Main verhaftet habe?«
    »Klar«, prustete er los. »Aber die kannst du ruhig noch mal erzählen. Die fand ich echt witzig.«
    »Ich muß jetzt los, Oliver, wirklich. Aber da fällt mir gerade ein, habe ich dir eigentlich die erzählt, wie ich mal im Elysian Park ein Paar überrascht habe, das es auf dem Rücksitz seines Autos getrieben hat?«
    »Nein. Erzähl doch, Bumper!«
    »Na ja, ich leuchte also mit meiner Taschenlampe in diesen Wagen rein, und da liegen die beiden auf dem Rücksitz, und Vati besorgt's seiner Freundin gerade mit seiner Knackwurst, worauf mein junger Partner fragt: ›Was machen Sie denn da?‹ Und darauf kommt dieser Typ genau mit der Antwort, die man zu neunzig Prozent immer zu hören bekommt, wenn man einen Kerl gerade bei dieser Tätigkeit ertappt. Er sagt also: ›Nichts, Herr Wachtmeister.‹«
    »Klar, das kann ich mir schon vorstellen.« Oliver nickte eifrig.
    »Sage ich also zu diesem Typen: ›Na ja, wenn Sie da gar nichts machen, dann kommen Sie doch kurz raus und halten meine Taschenlampe, damit ich sehen kann, ob ich nicht vielleicht was machen kann.‹«
    »Haha, das ist ja echt witzig!« brüllte Oliver. »Mann, Bumper, das ist ja wirklich 'n Ding.«
    Oliver mußte dermaßen lachen, daß er mich gar nicht weggehen sah. Er saß nur einfach da und hielt sich vor Lachen seinen gewaltigen Bauch.
    Ich überlegte noch, ob ich Oliver nicht vielleicht hätte bitten sollen, bei den Detectives in der Zentrale anzurufen, da ich ja ab morgen nicht mehr zum Dienst erscheinen würde. Aber dann hätte ich ihm erklären müssen, weshalb er mich nicht mehr erreichen würde, und ich hatte absolut keine Lust mehr, mir von irgend jemandem anhören zu müssen, ob ich nun aufhören sollte oder nicht. Falls Oliver je anrufen sollte, würde ihm schon jemand sagen, daß ich nicht mehr bei der Polizei war, und dann würde die Information vielleicht sowieso an die Detectives weitergeleitet werden. Was soll's, dachte ich und ordnete mich wieder in den Morgenverkehr ein. Aber es wäre natürlich schon ein Ding gewesen, wenn ich an meinem letzten Tag noch diesen Hoteldieb schnappen könnte – das wäre wirklich ein Ding gewesen.
    Ich sah auf meine Uhr. Cassie war inzwischen bestimmt schon in der Schule, so daß ich zum City College fuhr und den Wagen davor abstellte. Ich fragte mich, weshalb ich eigentlich Lailas wegen keinerlei Schuldgefühle hatte.
    Vermutlich dachte ich, daß die ganze Geschichte nicht wirklich meine Schuld gewesen war.
    Cassie war allein in ihrem Büro. Ich schloß die Tür hinter mir, warf die Mütze auf einen Stuhl, und als ich dann auf sie zutrat, überkam mich sofort dieses vertraute alte Gefühl, das ich schon so oft verspürt habe, wenn sich eine Frau an einen schmiegt.
    »Ich mußte die ganze Nacht an dich denken«, sagte sie, nachdem ich sie sicher ein dutzendmal geküßt hatte. »Der gestrige Abend war ziemlich öde. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was das für Langweiler waren.«
    »Und du

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