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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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machen. Es war am besten, einfach zuzugreifen, solange sich mir die Gelegenheit bot, und das tat ich auch. Vielleicht gehörte ich zu der Sorte Männer, die in ihrer Häßlichkeit irgendwie anziehend wirken.
    »Na?« hörte ich Cassies Stimme und drehte mich um. Sie stand in der Tür ihres Büros und lächelte mich wieder an, während ich meine Blicke bewundernd über sie gleiten ließ. Das Mädchen war inzwischen gegangen.
    »Das ist das hübscheste von all deinen Kleidern«, sagte ich und meinte das auch wirklich so. Sie war in diesem Augenblick so schön wie noch nie, obwohl ihr ein paar dicke Haarsträhnen ins Gesicht hingen und von ihrem Lippenstift fast nichts mehr zu sehen war.
    Sie grinste mich an. »Warum bewunderst du denn anstatt meines Körpers nicht auch mal meinen Verstand, wie ich das bei dir immer mache?«
    Ich folgte ihr in das Büro und trat ganz nahe zu ihr, um sie auf die Wange zu küssen. Zu meiner Überraschung schlang sie mir die Arme um den Hals und gab mir einen langen, sehnsüchtigen Kuß. Die Mütze fiel mir aus der Hand, und ich war wahnsinnig erregt, obwohl wir in der offenen Tür standen und jeden Moment eine ganze Schar Schüler vorbeikommen konnte. Als sie schließlich wieder von mir ließ, lag in ihren Augen der träge, leicht verschwommene Blick einer leidenschaftlichen Frau.
    »Sollen wir nicht ganz schnell diesen verdammten Schreibtisch frei machen?« fragte sie mit rauchiger Stimme, und eine Weile dachte ich, das wäre tatsächlich ihr Ernst. Dann ertönte das schrille Läuten einer Glocke, und überall auf dem Gang gingen die Türen auf. Sie lachte und setzte sich auf ihren Schreibtisch, so daß ein Paar wohlgeformte Beine zum Vorschein kam, denen man nie im Leben angesehen hätte, daß sie bereits vierzig Jahre drauf hatten. Mein Mund war ganz trocken, als ich mich in einen Ledersessel plumpsen ließ, und ich glaubte immer noch den sehnsüchtig gegen mich gepreßten Körper zu spüren.
    »Willst du heute abend wirklich nicht auf die Abschiedsfeier kommen?« fragte sie schließlich und zündete sich eine Zigarette an.
    »Du weißt doch, wie ich darüber denke, Cassie. Das ist ganz dein Abend. Deine Freunde und die Studenten werden dich sicher ganz für sich haben wollen. Und danach wirst du ja noch genügend Zeit für mich finden.«
    »Bist du dir sicher, daß dir das nicht zu viel werden wird?« wollte sie mit einem Grinsen wissen, das eindeutig darauf schließen ließ, daß sich diese Frage auf ihre Sexualität bezog. Wir sprachen öfter scherzhaft darüber, wie ich ihre sexuellen Bedürfnisse wieder geweckt hatte, die seit den sieben Jahren, nachdem sie von ihrem Mann geschieden worden war, und vielleicht auch schon zuvor eher brachgelegen hatten. Nach dem, was sie mir über diesen seltsamen Heiligen – er war Chemielehrer – erzählt hatte, wäre das jedenfalls nicht verwunderlich gewesen.
    Wir gingen zwar davon aus, daß einige ihrer neunzehnjährigen Studenten – sexbesessen, wie sie heutzutage nun mal sind – sich vielleicht häufiger im Bett vergnügten als wir, obwohl Cassie sich das eigentlich nicht so recht vorstellen konnte. Sie meinte, es wäre bei ihr noch nie so intensiv gewesen und sie hätte auch nie geahnt, daß es für sie so gut sein könnte. Ich dagegen hatte schon immer viel dafür übrig gehabt. Ich war schon immer geil – seit ich denken kann.
    »Komm doch um elf zu mir in die Wohnung«, schlug sie vor. »Ich sehe zu, daß ich bis dahin zu Hause bin.«
    »Meinst du wirklich, du kannst deine Freunde schon so früh im Stich lassen?«
    »Du glaubst doch nicht etwa im Ernst, ich hocke da stundenlang mit einem Haufen Pädagogen herum, wo ich zu Hause von Officer Morgan so viel Neues lernen könnte?«
    »Willst du damit vielleicht sagen, ich könnte sogar einer Lehrerin noch was beibringen?«
    »Ich finde, daß du in deinem Fach zur einsamen Spitze gehörst.«
    »Du mußt aber morgen früh noch einmal ins College«, erinnerte ich sie.
    »Um elf Uhr also.«
    »Aber eine Menge von deinen Kollegen und Studenten, die morgen nicht schon in aller Frühe Unterricht haben, werden viel länger herumhängen wollen. Also, ich glaube, du solltest ihnen zumindest an diesem Abend noch etwas länger Gesellschaft leisten. Das erwarten Sie von dir, Cassie. Du kannst die Leute in deinem Revier nicht so enttäuschen.«
    »Na gut«, stimmte sie seufzend zu. »Aber ich werde dich auch morgen abend nicht sehen können. Ich bin mit zwei Vertretern meiner neuen Schule zum

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