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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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ich ihr von meiner Arbeit erzähle.
    »Was war denn?« fragte sie. Ich holte meine letzte Zigarre hervor und zündete sie an, damit ich wenigstens etwas hatte, woran ich mich festhalten konnte, wenn ich mir diese Blamage noch einmal vor Augen führte.
    »Ach, so eine Demonstration vor dem Einberufungsamt. Ein junger Rotzlöffel, so ein richtig scheinheiliges Bürschchen, hat mich drangekriegt, so daß ich über meinen Job zu quatschen anfing. Ich habe so richtig frei von der Leber weg mit ihm gesprochen, um dann später herausfinden zu müssen, daß der Bursche ein richtig hart gesottener Berufsrevoluzzer ist. Und ich dachte noch, wie cool und locker ich doch wäre. Ich habe einfach zu lange in meinem Revier gelebt, Cassie. Ich war viel zu lange der Obermacker, weißt du. Ich dachte, mir könnte keiner mehr was vormachen, ich könnte ihnen allen an den Kragen – mit Ausnahme der Organisierten natürlich, der Buchmacher und wirklich großen Dealer. Und manchmal konnte ich sogar denen ein paar dicke Knüppel zwischen die Beine werfen. Aber das war mal wieder etwas ganz Neues für mich, und diese Leute sind wirklich gut organisiert. Mit so einem Idioten wie mir konnten die natürlich umspringen, wie es ihnen gerade paßte.«
    »Aber was hast du denn nun eigentlich getan, Bumper?«
    »Geredet. Ich habe mit denen geredet, wie ich auch in meinem Innersten denke. Zum Beispiel, daß man den Arschlöchern, die es nicht anders wollen, auch einen aufs Dach geben müßte. Eben in der Art. Ich habe mich in eine richtige Ansprache hineingesteigert.«
    »Weißt du was?« Sie legte mir ihre Hand mit den langen, schmalen Fingern aufs Knie. »Was auch immer heute passiert sein mag oder was auch immer du gesagt hast – ich möchte wetten, daß daraus weder dir noch der Polizei irgendein Nachteil erwachsen kann.«
    »Wirklich, Cassie? Du hättest mich nur erzählen hören sollen, wie wir damals beim Besuch des Präsidenten ein paar Leuten die Schädel einschlagen mußten, um das Ganze nicht ausufern zu lassen. Ich war richtig großartig.«
    »Kennst du denn eine friedliche Methode, einen Aufruhr niederzuschlagen?«
    »Nein, natürlich nicht. Aber man erwartet von uns zumindest so viel Sachverstand, daß wir in der Öffentlichkeit nicht genauso daherreden wie während der Mittagspause auf dem Revier.«
    »Also, mir ist Officer Morgan lieber als einer von diesen schrecklich tugendhaften und schrecklich langweiligen Fernsehpolizisten, und ich glaube auch nicht, daß es eine friedliche Methode gibt, einen Aufruhr niederzuschlagen. Deshalb finde ich, daß du dir wegen der ganzen Geschichte keine weiteren Gedanken machen solltest. Denk lieber daran, daß du all diese Sorgen bald los sein wirst. Dann wirst du endlich mal eine leitende Position einnehmen und Leute haben, die für dich die Drecksarbeit machen.«
    »Ich muß zugeben, daß diese Vorstellung einen nicht unerheblichen Reiz auf mich ausübt. Und ich möchte wetten, daß mir ein paar Sachen einfallen, durch die man die Sicherheit dieser Firma in einem Maße verbessern kann, wie es sich diese Leutchen niemals hätten träumen lassen.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Ganz gleich, was ich tue – du stehst immer zu mir.« Ich lächelte. »Das ist ja auch der Grund, weshalb ich dich unbedingt haben mußte, trotz aller deiner Fehler.«
    »Du bist ja auch mein blauer Ritter. Weißt du eigentlich, daß du ein Ritter bist? Du schlägst dich in Turnieren und zehrst von den Erträgen des Landes.«
    »Nun – daß ich von meinem Revier lebe, kann man wohl sagen. Nur mit den Turnieren haut es nicht so recht hin.«
    »Und was ist mit den paar tausend Ganoven, die du hinter Schloß und Riegel gebracht hast? Also für mich bist du schon ein blauer Ritter.«
    »Jetzt aber mal langsam, meine Liebe. Du kriegst nur einen ehemaligen Ritter – falls du mich kriegst.«
    »Was heißt hier ›falls‹?«
    »Ich meine, es ist durchaus in Ordnung, wenn du mich ein bißchen zum Helden hochstilisierst, oder was weiß ich, wofür du mich hältst. Aber wenn ich pensioniert bin, ist das alles vorbei.«
    »Bumper!« Sie lachte und küßte meine Hand, wie Glenda das getan hatte. Schon die zweite Frau, die mir heute die Hand küßt, dachte ich. »Ich lasse mich nicht durch irgendwelche Amtsinsignien blenden. Wenn ich deine Hände küsse, dann gilt das einzig und allein deiner Person.« Sie tat es von neuem, und dabei hatte ich immer gedacht, ein Mann könnte es nicht ertragen, sich von einer Frau die Hände

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