Der Musentempel
Interesse an deinem widerlichen Freund Milo.«
»Milo ist intelligent, redegewandt, durchsetzungsfähig, ehrgeizig und dazu bestimmt, in der römischen Politik große Dinge zu bewegen«, entgegnete ich.
»Das sind andere auch. Er ist außerdem gewalttätig und skrupellos und schreckt vor nichts zurück, um vorwärtszukommen. Das sind ebenfalls weit verbreitete Charakterzüge, das kann ich dir versichern. Was ihn so einzigartig und in Faustas Augen so begehrenswert macht, ist sein gottgleicher Körper und sein ebenmäßiges Gesicht.«
»Ist das seine Schuld? Auf diesem Gebiet sind die Maßstäbe der Cornelier eben äußerst hoch. Wer in ganz Rom außer Milo könnte es mit Fausta aufnehmen?«
Sie stieß ein zartes, patrizisches Schnauben aus. »Warum sollte sie sich die Mühe machen? Man wird sie ohnehin nie gemeinsam in der Öffentlichkeit sehen. Die römischen Ehemänner sitzen nicht einmal im Circus neben ihren Frauen.
Sie geben allerdings wirklich ein umwerfendes Paar ab. Sie so blond und zart, während er dunkel und kräftig ist. Und sein Auftreten ist mindestens so arrogant wie ihres, obwohl er von viel niedrigerer Geburt ist.« Ich lächelte still in mich hinein.
Sogar Julia bewunderte Milo, obwohl sie das nie offen zugeben würde. Praktisch jede Frau in Rom tat das. Dienstmädchen ritzten seinen Namen in Mauern, als sei er ein unbesiegbarer Gladiator oder Wagenlenker. »Der schöne Milo« nannten sie ihn und verkündeten, daß sie fast vor Leidenschaft für ihn vergehen würden, wobei sie eine häufig unanständige Detailfreude an den Tag legten. So schamlos würde Julia sich natürlich nie gebärden, aber auch sie war gegenüber seinem Charme nicht immun. »Herkunft bedeutet in Rom heutzutage nicht mehr viel«, sagte ich. »Die Macht liegt längst bei den Tribunen und den Volksversammlungen. Ein Patrizier wie Clodius tritt zum Plebs über, um als Tribun kandidieren zu können, und selbst dein Onkel Gaius Julius, der so patrizisch ist wie Romulus persönlich, ist ein Mann des Volkes geworden, weil dort die Macht liegt.«
»Mein Onkel Gaius wünscht, die uralte Würde des Senats wieder herzustellen, eine Aufgabe, an der, wie er sagt, Sulla gescheitert ist. Wenn er sich an das gemeine Volk wenden muß, damit ihm die Autorität verliehen wird, selbiges zu tun, ist das nur ein Zeichen für die Korruption unserer Zeit. Er ist bereit, diese Erniedrigung zum Wohle des Staates auf sich zu nehmen.«
Ihre Loyalität gegenüber ihrer Familie war rührend, aber unangebracht. Selbst die extremsten politischen Einfaltspinsel wußten, daß Gaius Julius nicht das geringste Interesse hatte, die Würde des Senats wiederherzustellen. Dann schon eher die Monarchie, mit Caesar als König. Wir hatten damals natürlich noch keine Ahnung, wie nahe er seinem Ziel tatsächlich kommen würde.
»Die Aussicht ist wirklich beeindruckend«, sagte sie, das Thema wechselnd. Und sie hatte recht. Das Paneion war nicht direkt eine steile Erhebung, aber Alexandria war so flach, daß es keiner großen Höhe bedurfte, um die ganze Stadt zu Überblicken. Ich widmete mich wieder meiner Rolle als Fremdenführer.
»Den Palastkomplex kennst du ja inzwischen«, sagte ich.
»Dort drüben«, ich wies auf den südöstlichen Teil der Stadt, »liegt das jüdische Viertel. Man sagt, es gäbe mehr Juden in Alexandria als in Jerusalem.« Dann wies ich auf die westlichen Stadtteile, die von dem gewaltigen Serapeion beherrscht wurden, einem einzelnen Tempel, der allein fast so groß war wie der gesamte Museion-Komplex zusammen. »Das ist Rhakotis, das ägyptische Viertel, benannt nach einem kleinen Dorf, das Alexander hier vorfand, als er die Stadt gründete. Die Stadt ist in vollkommen rechteckige Blocks unterteilt, die ihrerseits größere Blöcke bilden, die jeweils mit einem Buchstaben des griechischen Alphabets bezeichnet werden.«
»Es ist schon ein seltsames Gefühl«, sagte Julia, »in einer Stadt zu sein, die nur aus geraden Linien und rechten Winkeln besteht. Vermutlich trägt das zur öffentlichen Ordnung bei.«
»Mir geht es ganz ähnlich«, pflichtete ich ihr bei. »Es ist, als ob man in einer Stadt wäre, die Plato geplant hat.«
»Plato bevorzugte Kreise«, belehrte sie mich. »Aber ich wage zu bezweifeln, daß Kreise bei der Stadtplanung besonders funktional sind. Was liegt denn dort jenseits der Stadtmauern im Westen ?«
»Das ist die Nekropolis. Den Ägyptern ist sehr an ihren Grabstätten gelegen. Alle Friedhöfe befinden sich
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