Der Musentempel
Creticus nahmen nicht teil, aber ich schloß mich Julia, Fausta und einer Reihe von Botschaftsangestellten an. Die Feste auf der Insel waren Legende, weil sie ganz ohne die schwache Zurückhaltung vonstatten gingen, auf die der Große Palast bestand.
Das Fest war bereits im vollen Gange, als wir eintrafen. Die untergehende Sonne hatte einen purpurnen Mantel über den westlichen Abendhimmel geworfen, und Fackeln waren entzündet worden. Lebhafte Musik sorgte für ausgelassene Stimmung, und an Land wurden wir von maskierten PseudoMaenaden empfangen, die mit Leopardenfellen und Weinblättern kostümiert waren, wenn das das angemessene Wort ist. Als Satyrn verkleidete Männer jagten nackte Nymphen durch die Gärten, während Akrobaten auf Seilen tanzten, die zwischen den verschiedenen Flügeln des Palastes gespannt waren.
»Das würde mein Vater nie billigen«, sagte Julia mit aufgerissenen Augen. »Aber mein Vater ist ja auch nicht hier.«
»Das ist die richtige Einstellung«, lobte ich sie. »Ich wünschte, Cato wäre zugegen, nur damit ich sehen könnte, wie er vom Schlag getroffen tot umfallen würde.« Berenike kam uns begrüßen, begleitet von einem halben Dutzend zahmer Geparden, die sie an einer Leine führte.
Die Ägypter lieben Katzen jedweder Art, von Löwen bis zu kleinen Hauskatzen, die die eigentlichen Herren der Städte zu sein schienen. So groß war die Zuneigung der Ägypter, daß der Tod einer Katze genauso betrauert wurde wie der Tod eines Familienmitglieds. Die Strafe für die Tötung einer Katze war dieselbe wie für Mord. Mir kam es seltsam vor, daß die Leute sich kleine Löwen im Haus hielten, aber in jüngster Zeit erfreuen sie sich auch in Rom immer größerer Beliebtheit.
Angeblich sind sie gut im Mäusefangen.
Die üblichen Begrüßungsfloskeln und Freundlichkeiten sprudelten aus Berenikes Mund auf uns hernieder, und sie drängte uns, den Abend ungezwungen zu genießen, wozu ich durchaus bereit war. Es gab keine Tische, an denen man sich zum Speisen niederlassen konnte, statt dessen standen überall kleine, mit erlesenen Köstlichkeiten überhäufte Tischchen.
Sklaven machten mit Weinkrügen die Runde, und die Gäste standen und wandelten plaudernd herum, solange sie sich aufrecht halten konnten. Neben dem üblichen Personal gab es livrierte Paviane, die zwar nicht so elegant servieren konnten wie ihre menschlichen Kollegen, sich jedoch immer noch besser benahmen als die Mehrzahl der Gäste.
Ich wollte mit Berenike sprechen, aber die großen Katzen, die sie spazierenführte, machten mich nervös. Ich wußte, daß diese zahmen Geparden sich nicht anders verhalten als Jagdhunde, aber irgendwie sahen sie angeleint unnatürlich aus. Also ließ ich Julia und Fausta mit der Prinzessin allein und schlenderte in den Palast. Es würde allem Anschein nach ein langer Abend werden, so daß keine Eile bestand, die Frau zu bedrängen.
Ich war nie zuvor im Palast auf der Insel gewesen und fand ihn ganz nach meinem Geschmack. Die Proportionen wirkten in ihrer Rücksichtnahme auf die menschliche Statur fast römisch.
Die Räume waren keine riesigen Echohallen, und die Einrichtung diente eher der Erbauung als der Einschüchterung des Betrachters.
Das konnte man von den anwesenden Gästen und den dargebotenen Unterhaltungseinlagen nicht behaupten. In einem Becken in einem offenen Hof rang ein muskulöser junger Mann mit einem mittelgroßen Krokodil, wobei die beiden die Gäste ebenso reichlich bespritzten wie das Paar Flußpferde, daß das Wasser mit ihnen teilte. Von Erregung übermannt, stürzten sich einige Gäste ebenfalls ins Becken und ergötzten sich nach Art der Najaden, indem sie unter der Wasseroberfläche verschwanden, um urplötzlich wieder aufzutauchen und nichtsahnende Passanten mit Wasser zu bespritzen. Ich sah eine Weile zu und hoffte, daß das Krokodil dem Griff des Ringers entgleiten und sich auf die Najaden stürzen möge, was weit aufregender gewesen wäre. Doch der junge Mann fesselte das arme Tier mit Seilen und schleppte es unter dem tosenden Applaus der Anwesenden davon.
In einem anderen Innenhof führte eine Truppe aufwendig kostümierter kretischer Tänzerinnen eine ihrer berühmten Inszenierungen auf, die sich mit verblüffendem Realismus den geschmacklosen Machenschaften der olympischen Gottheiten widmete. Ich begab mich auf eine Galerie im ersten Stock, um einen besseren Blick auf die Geschehnisse zu haben. Unten wurden auf einer kunstvoll hergerichteten Bühne Leda und
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