Der Musentempel
Konturen seines Körpers und seiner Gesichtszüge zu bewahren und auszustellen. Er ruht in einem gleichfalls goldenen Sarg, dessen Zwischenräume mit seltenen Gewürzen gefüllt wurden. Der güldene Sargdeckel wurde nach dem Bild des verstorbenen Königs gehämmert.
Eine Bestattungskutsche von nie zuvor gekannter Pracht wurde gebaut. Die ausgeklügelte Konstruktion sollte die Erschütterungen der langen Reise durch den gesamten Orient überstehen. Ihr Aufbau verband griechische Eleganz mit barbarischer persischer Größe. Auf dem von einem gewebten lyrischen Teppich von fantastischer Farbenpracht bedeckten Thronsockel stand der Sarkophag aus pantalischem Marmor, in den Szenen aus dem Heldenleben des Königs gehauen waren.
Der Sarkophag selber wurde von einer Schicht aus Gold geschützt, über die eine verschwenderisch bestickte purpurne Robe gebreitet wurde, auf der man die Waffen des Königs ausgestellt hatte.
Der Sarkophag ruhte in einer zehn mal fünfzehn Ellen großen Leichenkammer in der Form eines ionischen Tempels mit Proportionen, die mit denen des Tempels identisch waren, in dem wir jetzt stehen. Säulen und Dach waren aus Gold, verziert mit kostbaren Edelsteinen. Auf jeder Ecke des Dachs stand eine goldene Siegesstatue mit ausgebreiteten Flügeln. Anstelle von Cella-Wänden wurde ein goldenes Netz um die Tempelkammer gespannt, so daß die Untertanen des Königs den Sarkophag sehen konnten, wenn die Beerdigungsprozession vorüber zog.
An dem Netz wurden anstelle der ionischen Friese große Tableaus angebracht. Die Tafel an der Vorderseite der Kammer zeigte Alexander in seinem königlichen Streitwagen, flankiert von seinem makedonischen Leibwächter auf der einen und seinem persischen Leibwächter auf der anderen Seite. Das eine Seitentableau zeigte Kriegselefanten, die dem König und seinem persönlichen Troß folgten, das andere eine Kavallerie in Schlachtformation. Goldene Löwen bewachten den Eingang zur Leichenkammer.«
Ich begann mich zu fragen, ob in Alexanders Reich hinterher noch irgendwo ein Klümpchen Gold übrig gewesen war. Aber es sollte noch besser kommen.
»Das Dach wurde von einer riesigen goldenen Krone in Form eines Siegerkranzes beherrscht. Während die Kutsche dahinfuhr, spiegelten sich darin die Strahlen der Sonne wie die zuckenden Blitze des Zeus. Die Kutsche hatte zwei Achsen und vier Räder.
Die Räder persischer Bauart waren mit Eisen beschlagen, die Speichen und Naben vergoldet. Die Pole der Achsen bestanden aus goldenen Löwenköpfen mit goldenen Pfeilen im Maul.« Das mußte nun aber das Ende sein, dachte ich. Weit gefehlt.
»Die Beerdigungskutsche wurde von vierundsechzig ausgewählten Maultieren gezogen. Die Tiere trugen vergoldete Kronen und goldene Schellen sowie mit Gold und Edelsteinen besetzte Halsbänder aus kostbarem Stoff. Der Wagen wurde von einer Mannschaft von Baumeistern und Straßenausbesserern begleitet und von einem Elitekorps der Armee geschützt. Die Vorbereitungen für Alexanders letzte Reise nahmen zwei Jahre in Anspruch.
Von Babylon nahm der Zug seinen Weg durch Mesopotamien nach Damaskus in Syrien und weiter zum Ammon-Tempel in Libyen, um dem Gott Gelegenheit zu bieten, seinen göttlichen Sohn zu betrachten. Von dort sollte die Beerdigungskutsche weiter nach Aigai in Makedonien reisen, wo Alexander in der Grabstätte der makedonischen Königsfamilie die letzte Ruhe finden sollte. Doch bei der Durchquerung Ägyptens traf die Prozession auf den früheren Begleiter des Königs, Ptolemaios Soter, der den Anführer des Zuges überredete, ihm das Recht zu gewähren, die letzten Riten statt dessen in Memphis zu zelebrieren.«
»Er hat die Leiche entführt, was?« sagte ich. »Gut. So viel Gold würde auch kein vernünftiger Mensch freiwillig wieder aus seinem Königreich entschwinden lassen.« Rippenstoß.
»In Memphis lag der König einige Jahre«, fuhr der Priester, meine Bemerkung ignorierend, fort, »bis dieses prachtvolle Mausoleum fertiggestellt werden konnte. Und so fand Alexander der Große unter riesigem Jubel und im Rahmen einer feierlichen Zeremonie hier endlich seine letzte Ruhestätte in der Stadt, die nach ihm benannt ist.«
Er ließ uns die Pracht eine Weile bestaunen, bevor er uns ein Zeichen gab, ihm erneut zu folgen. Wir betraten einen Raum, in dem Alexanders Gewänder und Rüstung ausgestellt waren, dann einen weiteren, der den von dem Priester beschriebenen marmornen Sarkophag beherbergte sowie die äußere Sarghülle mit dem
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