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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Kämpfen verpönt ist. Wo wir gerade von religiösen Angelegenheiten sprechen«, sagte ich in einer eleganten und klugen Überleitung, »würde es mich sehr interessieren zu hören, wie die Prinzessin den heiligen Ataxas und seinen Gott BaalAhriman gefunden hat.« Fausta sah mich fragend an. Es war so ziemlich das letzte, was sie als Diskussionsbeitrag von mir erwartet hatte.
    »Oh, es war so wunderbar! Ich war im Garten meines alexandrinischen Palastes, unmittelbar vor der letzten großen Flut, als das Standbild des Horus zu mir gesprochen hat.«
    »Gesprochen?« fragte ich und bemühte mich angestrengt, meine Augenbrauen gerade zu halten.
    »Ja, ganz deutlich. Er sagte:>Tochter, hiermit verkünde ich dir die Ankunft eines neuen Gottes, der über das Rote und das Schwarze Land herrschen soll. Empfange ihn, wie es einem gebührt, den die unsterblichen Götter Ägyptens gesandt haben.<«
    »Und das war alles?« fragte ich. In den meisten bekannten Fällen dieser Art waren die Götter sehr viel gesprächiger gewesen.
    »Das reichte«, sagte sie.
    »Und hat sich der Mund oder vielmehr der Schnabel des Gottes bewegt, als er sprach?« Vielleicht sollte ich erklären, daß Horus mit seinem Kopf eines edlen Falken einer der weniger abstoßenden ägyptischen Götter ist.
    »Darauf habe ich nicht geachtet. In dem Moment, in dem er zu sprechen begann, habe ich mich ihm zu Füßen geworfen. Vor einem Gott muß sich selbst eine Prinzessin erniedrigen.«
    »Absolut verständlich«, versicherte ich ihr.
    »Du kannst dir sicherlich mein freudiges Entzücken vorstellen, als dann der heilige Ataxas eintraf, um die Wahrheit des Baal-Ahriman zu verkündigen. Er war so bescheiden und zurückhaltend, weißt du. Er war völlig überrascht, als ich ihm erklärte, daß Horus sein Kommen bereits angekündigt hatte.«
    »Fürwahr, fürwahr. Und hat er seit seiner Ankunft schon übermenschliche Kräfte demonstriert?«
    »Aber sicher. Er hat viele Gläubige von Taubheit oder Lähmung geheilt. Er hat andere Götterbilder aufgefordert zu sprechen, was sie auch getan und Ägypten eine strahlende Zukunft vorausgesagt haben. Aber für sich selbst beansprucht er keine besonderen Kräfte. Er sagt, er sei lediglich ein Mittler der glanzvollen Macht Baal-Ahrimans.« Als sie auf Ataxas zu sprechen kam, schien sich ihr Blick in unendlicher Ferne zu verlieren.
    »Eine>strahlende Zukunft<, sagst du? Hat er irgendeine Andeutung gemacht über die Art dieser strahlenden Zukunft?«
    »Nein, aber ich glaube, daß dies das Thema der göttlichen Weissagung sein wird, die wir in Kürze von Baal-Ahriman selbst hören werden.«
    Ich hatte weitere Fragen, aber in diesem Moment wurden wir von dem um Atem ringenden Majordomus unterbrochen.
    »Prinzessin, eines der Flußpferde hat das Becken verlassen und greift die kretischen Tänzerinnen an!«
    »Wahrscheinlich denken sie, es ist Zeus in einer neuen Verkleidung«, sagte ich, »auf der Suche nach einer weiteren Sterblichen zum Vernaschen. Wenn sich irgendwelche Freiwilligen finden sollten, könnte das ein durchaus anschauenswertes Spektakel werden.«
    »Oh, ich fürchte, ich muß mich darum kümmern«, sagte Berenike. »Seti, ruf die Wachen zusammen. Sag ihnen, sie sollen lange Speere mitbringen. Wahrscheinlich kann man das Tier damit bewegen, in den Teich zurückzukehren. Es darf auf keinen Fall verletzt werden. Flußpferde sind dem Taveret heilig.«
    »Da geht der Grund, dessentwegen die Götter den Inzest mit Mißfallen sehen«, sagte ich, als sie verschwunden war.
    »In Rom gibt es genauso viele Exzentriker«, sagte Fausta.
    »Bei einer ausländischen Hoheit wirkt es nur alberner.«
    »Vermutlich hast du recht. Aber wenn Horus jemandem die Ankunft eines neuen Gottes verkünden wollte, warum nicht Ptolemaios selbst? Warum hat er sich ausgerechnet seine geistesverwirrte Tochter ausgesucht?«
    »Ich nehme an, du findest ihre Geschichte reichlich unglaubwürdig?«
    »Absolut. Göttliche Visiten kommen in Legenden zwar ständig vor, aber im Zeitalter der großen Helden wirkten sie irgendwie plausibler. Allerdings sind meinem eigenen Großvater auch einmal die Dioskuren erschienen, wenn auch nur im Traum und, wie ich glaube, nachdem er heftig getrunken hatte.«
    »Woher rührt dieses plötzliche Interesse an Religion, Decius?
    Der Aufenthalt in Ägypten wird dich doch nicht mit den seltsamen Leidenschaften der Einheimischen angesteckt haben?« Als Tochter ihres Vaters glaubte Fausta an kaum etwas außer Habgier und

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