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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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allein«, sagte sie und nickte kurz in Richtung der im Dunkeln liegenden Galerie hinter ihr. Mit einem Mal bemerkte ich, daß dort jemand stand, regungslos wie eine Statue. »Wer bist du?« fragte ich. Ein Junge von etwa sechzehn Jahren trat mit verschränkten Armen vor. »Ich bin Apollodorus, Senator.«
    Er war ein prachtvoll aussehender Bursche mit schwarzem lockigen Haar und wohlgeformten Zügen, die den unverkennbaren Stempel Siziliens trugen. Er trug ein knappes Chiton, um das er ein kurzes Schwert gegurtet hatte, dazu Lederbänder um Hand- und Fußgelenke. Er hatte die entspannte, fast schlaffe Haltung eines Spitzenathleten, aber er war nicht bloß ein hübscher, palaestratrainierter Junge. Seinem ganzen Gehabe konnte man die Ludus anmerken, obwohl ich das bei einem so jungen Burschen noch nie gesehen hatte. »Welche Schule?« fragte ich.
    »Die Ludus des Ampliatus in Capua«, sagte er. Das machte Sinn.
    »Eine gute Wahl. Dort wird Faustkampf und Ringen genauso fachmännisch gelehrt wie der Schwertkampf. Ich würde einen Leibwächter für meine Tochter ebenfalls dorthin schicken.«
    Der Junge nickte. »Man hat mich im Alter von zehn Jahren dorthin gesandt. Vor fünf Monaten, als der König entschieden hat, daß die Prinzessin nach Alexandria übersiedeln sollte, ließ er mich zurück rufen.« Er wandte sich Kleopatra zu. »Der Senator hat recht, Hoheit. Du solltest jetzt besser nach drinnen gehen.«
    Sein Ton war ungezwungen, aber ich konnte in jeder Wendung seine Bewunderung mitklingen hören.
    »Nun gut«, sagte sie. »Ich kann sowieso nicht recht begreifen, warum Menschen sich so seltsam aufführen.«
    Ich verabschiedete mich und begab mich wieder nach unten auf die Feier. In späteren Jahren sollte Marcus Antonius verunglimpft werden, weil er so vernarrt in Kleopatra war, daß er Rom und alles andere vergaß, um ihr zu dienen. Man hielt ihn für schwach und unmännlich. Doch ich hatte Kleopatra als Zehnjährige erlebt und wußte, daß der arme Antonius von Anfang an keine Chance hatte. Ich begann das Bedürfnis zu verspüren, feste Nahrung zu mir zu nehmen. Auf einem breiten Marmortisch lag eine zusammengerollte Wurst aus Elefantendarm, gefüllt mit dem süßen Fleisch hiesiger Wasservögel. Sie roch köstlich, aber ihr Anblick war ekelerregend. Ein Sklave bot mir einen Spieß mit fetten Riesenheuschrecken an, die in der Wüste als große Delikatesse gelten, für römische Gaumen jedoch ungenießbar sind. Kurz bevor ich dem Hungertod anheimfiel, fand ich glücklicherweise ein Tablett mit in Garum gegarten Schweinerippchen, an denen ich mich neben anderen verdaubaren Häppchen gütlich tat, bis ich mich dem weiteren Abend wieder gewachsen fühlte.
    Das Geräusch klirrender Waffen lockte mich nach draußen auf eine Rasenfläche, wo Athleten einen Schaukampf mit Schwertern vorführten. Es handelte sich nicht um echte Gladiatoren, weil es die in jenen Tagen in Ägypten noch nicht gab. Aber sie waren recht versiert, und es machte Spaß, ihnen zuzuschauen, selbst wenn sich in einem italischen Amphitheater keiner von ihnen länger als eine Minute gehalten hätte. Ich sah, daß auch Fausta und Berenike ihnen zusahen. Zu meiner Erleichterung waren die Geparden verschwunden.
    »Das ist eine absolute außergewöhnliche Veranstaltung, Hoheit«, sagte ich zu Berenike.
    »Wir geben uns alle Mühe. Fausta hat mir gerade von den Gladiatorenkämpfen erzählt, die sie und ihr Bruder anläßlich der Beerdigungsspiele für ihren Vater inszeniert haben. Unsere Priester und Philosophen würden Kämpfe auf Leben und Tod hierzulande nie zulassen, fürchte ich. Aber es klingt aufregend.«
    »Die Munera sind integraler Bestandteil unserer Religion«, erklärte ich ihr. »Andere Völker finden die Kämpfe bisweilen ein wenig zu heftig.«
    »Wir hatten tausend Paare Gladiatoren, die über einen Zeitraum von zwanzig Tagen gekämpft haben«, sagte Fausta, »ganz zu schweigen von den Hunderten von Löwen und Tigern und Rhinozerossen, die wir neben den üblichen Bären und Stieren aufgeboten hatten. Der Senat hat sich damals wegen vermeintlicher Verschwendungssucht beschwert, aber wen kümmert schon der Senat?« Sie ist eine echte Tochter Sullas.
    »Natürlich ist es Frauen eigentlich verboten, an einer Munera teilzunehmen, aber wir tun es trotzdem. Ich finde sie sehr viel unterhaltsamer als die Wagenrennen.«
    »Jedes hat seinen Reiz«, sagte ich. »Bei den Rennen kann man zum Beispiel offen Wetten abschließen, während das bei den

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