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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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wundervoll gestalteten goldenen Sargdeckel. Nach einigen Minuten stiller Einkehr führte er uns in die letzte Kammer.
    Es war ein Raum von vergleichsweise bescheidenen Ausmaßen, perfekt gerundet mit einem Kuppeldach. Inmitten des Raumes lag Alexander von oben bis unten mit einer feinen Schicht aus perfekt modelliertem Gold überzogen und sah aus, als könne er jeden Moment aufwachen. Nach makedonischem Brauch lag er auf einem Bett aus Alabaster. Ich beugte mich zu Julia und flüsterte ihr ins Ohr: »Ziemlich klein geraten der Bursche, was?«
    Unglückseligerweise war es eine dieser magischen Kammern, die jedes Geräusch verstärken. Meine geflüsterten Worte hallten dröhnend wider, als seien sie von einem Herald gebrüllt worden.
    Der Priester und die anderen Touristen starrten uns wütend an, als wir uns unter weitschweifigen Dankbarkeitsbekundungen und dem Ausdruck allergrößter Wertschätzung verschämt Richtung Ausgang begaben.
    »Hast du schon wieder frühmorgens getrunken?« wollte Julia wissen.
    »Ich schwöre, keinen Tropfen!«
    Ich glaubte, sie würde wütend auf mich losgehen, aber sie konnte sich selbst nicht länger halten, und als wir uns in den Sitz unserer Sänfte fallen ließen, waren wir beide in schallendes Gelächter ausgebrochen.
    »Da drinnen muß es ja sehr viel spaßiger zugehen, als sich von hier draußen erkennen läßt«, meinte Hermes.
    »Zum Heptastadion!« sagte ich; die Träger hoben uns auf ihre Schultern, und auf ging's.
    »Hast du schon irgend etwas heraus bekommen?« fragte ich Julia, während wir durch die Straßen getragen wurden. »Es ist schwierig, alexandrinische Damen dazu zu bewegen, über irgend etwas anderes als Religion und Kleidung zu sprechen. In einer Monarchie redet keiner über Politik.«
    »Vergiß die Alexandrinerinnen«, riet ich ihr. »Kümmer dich um die Ehefrauen und die anderen Frauensleute der ausländischen Botschafter, vor allem der Botschafter der zur Zeit noch unabhängigen Nationen, die befürchten müssen, als nächstes dem römischen Weltreich einverleibt zu werden.«
    Sie musterte mich scharfen Blickes. »Was hast du erfahren?«
    »Herzlich wenig«, mußte ich zugeben, »aber ich vermute, daß Iphikrates ungeachtet seiner Beteuerungen ein recht einträgliches Nebengeschäft betrieben hat, indem er Waffen für unsere Feinde und solche, die erwarten, demnächst unsere Feinde zu werden, entworfen hat. Parthia wäre ein vielversprechender Ausgangspunkt. Nach der Unterwerfung des Nahen Ostens ist König Phraates der einzige, vor dessen Toren Pompeius und Crassus und, verzeih mir, auch dein Onkel kläffen wie eine Horde ausgehungerter molossischer Hunde.
    Das letzte noch unabhängige und wirklich reiche Königreich.«
    »Mit Ausnahme Ägyptens«, sagte sie.
    »Ägypten ist nicht... na gut, also Ägypten ist zwar nominell unabhängig, aber das ist doch ein Witz.«
    »Vielleicht finden das die Ägypter aber gar nicht komisch. Sie sind nur arm, weil die letzten Generationen der Ptolemäer so dumm waren. Einst waren sie die mächtigste Nation der Welt.
    Die Pharaonen herrschten schon in Ägypten, als die Griechen Troja noch belagerten. Welche Nation, die ihre einstige Macht verloren hat, träumt nicht davon, sie zurück zu erlangen?«
    »Eine gute Frage. Das würde auch Achillas' Interesse an Iphikrates erklären. Aber was immer die militärische Führung auch im Schilde führt, es geht nicht ohne die Ptolemäer. Jeder mit Ausnahme der Ägypter hält die Ehe zwischen Brüdern und Schwestern für eine ausgemachte Scheußlichkeit. Derartige Paarungen scheinen ja bei Pferden ganz gut zu funktionieren, aber bei Menschen offenbar nicht. Zur Veredelung der Linie der Ptolemäer haben sie jedenfalls nicht beigetragen.«
    »Degenerierte Dynastien sind von starken Männern, die die Armee hinter sich haben, leicht zu stürzen«, sagte sie. Man konnte es getrost einem Mitglied der Familie Caesars überlassen, die pragmatische Sicht der Machtpolitik zu formulieren.
    »Aber die Ägypter sind schrecklich konservativ. Sie verehren die königliche Familie, obwohl es sich ursprünglich gar nicht um Ägypter handelt. Ein alexandrinischer Mob hat den vorherigen Ptolemaios gestürzt, nur weil der seine recht betagte Frau, eine der Berenikes, umgebracht hat. Was würden sie wohl mit einem Usurpator machen, der nicht mal zur Familie gehört?«
    »Ich werde einen Blick in seinen Stammbaum werfen«, erwiderte sie praktisch. »Ich wette, es besteht irgendeine entfernte Verwandtschaft

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