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Der Musentempel

Der Musentempel

Titel: Der Musentempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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der Schwan, Europa und der Stier, Ganymedes und der Adler, Danae und der Goldregen (eine schier unglaubliche Kostümierung), Pasiphae in der von Daedalus entworfenen hölzernen Kuh und ein paar weitere Sagen nachgespielt, die wahrscheinlich nur Griechen bekannt waren. Es gelang mir, meinen Blick gerade so lange von diesem Kunstgenuß loszureißen, um zu bemerken, daß ich nicht allein war. Ein Mädchen von etwa zehn Jahren lehnte am Geländer und betrachtete das Schauspiel mit ernstem Interesse.
    Sie war ein bildhübsches Kind mit einem Alabasterteint und dem rötlichen Haar, wie es unter den Makedoniern verbreitet war. Sie trug kostbare Gewänder und edlen Schmuck, offenbar die Tochter einer adeligen Familie, die ihrer Aufsichtsperson entlaufen war.
    »Bist du nicht noch ein bißchen jung für diese Art von Unterhaltung?« fragte ich sie. »Wo ist dein Kindermädchen?«
    Sie drehte sich um und musterte mich mit riesigen grünen Augen. Es waren die schönsten Augen, die ich je in einem menschlichen Antlitz gesehen habe.
    »Meine Schwester meint, ich müsse lernen, wie sich die Adeligen aller Herren Länder gebärden. Ich nehme schon seit einiger Zeit an ihren Empfängen teil.« Ihre Rede hatte absolut nichts Kindliches an sich.
    »Dann nehme ich an, du bist die Prinzessin Kleopatra?« Sie nickte und wandte sich dann wieder dem Spektakel zu.
    »Benehmen sich die Menschen wirklich so?« Auf der Bühne bestieg ein drachenartiges Wesen die an einen Fels gekettete Andromeda. An diesen Teil der Perseus-Sage konnte ich mich gar nicht erinnern.
    »Du solltest dich nicht mit dem Treiben übernatürlicher Wesen befassen«, riet ich ihr. »Du wirst die Entdeckung machen, daß das, was zwischen Mann und Frau vor sich geht, verwirrend genug ist.« Sie löste ihren Blick von den Tänzern und sah mich mit einer für ein so junges Mädchen irritierenden Berechnung an. »Du bist ein Römer, nicht wahr?» fragte sie in makellosem Latein.
    »So ist es. Ich bin der Senator Decius Caecilius Metellus der Jüngere, zur Zeit der hiesigen konsularischen Vertretung Roms zugeteilt, zu deinen Diensten.« Ich machte eine angedeutete Verbeugung, wie sie römischen Offiziellen gerade noch erlaubt ist. »Alspraenomen habe ich den Namen Decius noch nie gehört.
    Ich dachte immer, es sei ein nomen.« Sie war augenscheinlich außergewöhnlich gebildet.
    »Mein Großvater hat ihn in die Familie eingeführt, nachdem er eine Vision der Dioskuren hatte.«
    »Ach so. Mir ist noch nie eine Vision zuteil geworden. Aber meine Schwester hat dauernd welche.« Das glaubte ich gerne.
    »Dein Latein ist ausgezeichnet, Prinzessin. Sprichst du noch andere Sprachen?«
    »Außer Lateinisch und Griechisch spreche ich Aramäisch, Persisch und Phoenizisch. Wie ist es, ein Römer zu sein?« Das war eine merkwürdige Frage.
    »Ich weiß nicht, ob ich verstehe, was du meinst, Prinzessin.«
    »Ihr beherrscht die ganze Welt. Die offiziellen Vertreter Roms, die ich gesehen habe, führen sich so arrogant auf wie die Könige der meisten anderen Länder. Fühlt man sich anders an, wenn man weiß, daß die Welt einem zu Füßen liegt?« Noch nie hatte mir eine Zehnjährige eine solche Frage gestellt.
    »Wir beherrschen nicht wirklich die Welt, Hoheit, sondern nur ihren größten Teil. Was unsere Arroganz betrifft, so legen wir großen Wert auf dignitas und gravitas. Uns Angehörige der herrschenden Klasse lehrt man diese Werte von frühester Jugend an. Bei Personen des öffentlichen Lebens dulden wir keine Torheiten.«
    »Das ist gut. Die meisten Leute nehmen jedwedes Verhalten von Menschen hin, wenn diese nur von hoher Geburt sind. Ich hab gehört, daß du gestern Memnon mit einem einzigen Schlag niedergestreckt hast.«
    »Nachrichten verbreiten sich schnell. In Wirklichkeit waren es zwei Hiebe.«
    »Das freut mich. Ich kann ihn nicht leiden.«
    »Oh«, sagte ich.
    »Ja. Er und Achillas sind zu anmaßend. Sie lassen es meiner Familie gegenüber an der nötigen Ehrerbietung mangeln.«
    Darüber lohnte es sich nach zu denken. In diesem Moment stürmten einige der Gäste die Bühne und begannen, den Tänzerinnen unter erregtem Lachen und Anfeuerungsrufen die Kleider vom Leibe zu reißen.
    »Prinzessin, ich denke, du solltest dich, ungeachtet des Rats deiner Schwester, jetzt besser zurück ziehen. Du bist viel zu jung, um dich alleine hier aufzuhalten, und einige dieser Leute haben offenbar auch ihr letztes bißchen Sinn für Anstand und Vernunft verloren.«
    »Aber ich bin nicht

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