Der Musentempel
unschuldig. Um was wollen wir wetten, daß die Botschaft, die draußen verbreitet wird, eine ganz andere ist?
Auf Wiedersehen, meine Liebe. Wir sehen uns im Palast.« Mit diesen Worten rannte ich los. Ich glaubte, daß sie sicher genug waren. Ihre Gewänder glichen denen der griechischen Damen.
Solange sie nicht etwas auf lateinisch riefen, würde sie niemand für Römerinnen halten. Bei uns Männern war das schon etwas anderes. Unsere Togen, das kurze Haar und die sauber rasierten Gesichter waren unverkennbar.
Draußen machten meine Begleiter mir wilde Zeichen, die Sänfte rasch zu besteigen. Die Menge murmelte und plapperte, alle waren unsicher, was eigentlich geschehen war. Bis jetzt gab es noch keine gemeinsame Aktion.
»Steig auf, Decius!« rief Rufus. Ich kletterte in die Sänfte und nahm Platz. Die Träger hoben uns auf ihre Schultern und begannen sich einen Weg durch die Menge zu bahnen. »Was sollte das alles heißen?« fragte ein Botschaftsangestellter. »Was hat es zu bedeuten?«
»Es hat zu bedeuten«, sagte ich und schenkte mir eine Erfrischung ein, »daß mir jeder fünfhundert Denarii schuldet.«
»Ich protestiere!« rief irgend jemand. »Dieser lepröse Gott hat Rom mit keinem Wort erwähnt!«
»Ich habe, wenn ihr euch erinnern wollt, ja auch nur behauptet, daß er eine plötzliche Veränderung der römischägyptischen Beziehungen verkünden würde«, betonte ich. »Und er hat gesagt, daß Ägypten wieder die erste unter den Nationen sein wird. Wenn das keine Veränderung der römischägyptischen Beziehungen ist, was dann?« Waren wir eben noch mit Blüten beworfen worden, so hagelte es jetzt Obstschalen.
»Es war eine schrecklich kurze Botschaft«, sagte Rufus und duckte sich vor einer Ladung Kameldung. »Ich hatte eigentlich längere Ausführungen erwartet.«
»Man muß es kurz halten, wenn man mit dem Mummenschanz eines Zauberers arbeitet«, sagte ich. »Noch eine Minute länger, und wir wären hinter den Trick mit dem Mund des Standbilds gekommen.«
»Aber wie haben sie das bloß gemacht?« fragte ein Sekretär.
»Es war ungeheuer beeindruckend.«
»Ich werde das heraus finden«, sagte ich. Überall auf dem Platz begannen Leute mit dem Finger auf uns zu zeigen. Wir waren noch nicht einmal auf der Straße.
»Ich habe noch keine antirömischen Parolen gehört«, sagte der Sekretär. Diese Männer waren es gewohnt, überall auf der Welt derartige Parolen zu hören.
»Das liegt daran, daß keiner von uns Ägyptisch spricht«, erwiderte ich. »Die Ministranten verbreiten die schillerndsten Versionen von Baal-Ahrimans Worten unter den Leuten.«
»Du scheinst ja ganz genau über die Sache Bescheid zu wissen«, nörgelte Rufus.
»Es braucht nur ein wenig Intelligenz«, erklärte ich ihm. »Das überlaß am besten mir. Können diese Träger nicht schneller gehen?«
Wir wurden zwar noch nicht direkt angegriffen, aber die Wurfgeschosse und Beschimpfungen wurden immer bedrohlicher.
»Das können sie bestimmt«, sagte Rufus. Er fing an, zwischen den Kissen herumzukramen. »Mal sehen, es müßte doch irgendwo eine Peitsche geben. Aha!« Er hob eine lange, schlangenartige Peitsche aus geflochtenem Rhinozerosleder in die Höhe, beugte sich über das Geländer unserer Plattform und holte zu einem mächtigen Schlag aus. Da er nicht der geschickteste Peitschenschwinger war, gelang es ihm, sich das Leder über den eigenen Rücken zu ziehen, wo es einen Striemen von seiner linken Gesäßhälfte bis zur rechten Schulter hinterließ.
Er fiel aufjaulend nach hinten, während wir anderen lachten, bis uns die Tränen über die Wangen liefen.
»Das ist eine wahrhaft seltene Sportart«, meinte der Sekretär, »aber diese Leute werden immer wütender.«
Mittlerweile hatten wir die Straße erreicht und das Serapeion fast hinter uns gelassen. Die Menge vor uns wußte noch nichts von der göttlichen Botschaft, blockierte jedoch unwissend unseren Weg.
»Es ist soweit«, meinte jemand. »Zeit, Ballast abzuwerfen.
Los, alle Sklaven raus.«.
»Bei deinem verdammten Leben nicht!« sagte Hermes störrisch. »Dieser Mob würde bereitwillig alles verschlingen, was auch nur eine römische Frisur hat.«
»Unverschämter Lausebengel«, sagte jemand. »Er braucht Disziplin, Metellus.«
»Und du brauchst eine kleine Ausnüchterung«, erklärte ich ihm. Ich nahm die Peitsche, kletterte über das Geländer und stieg die Stufen hinab, bis ich direkt über den Tragepfählen stand. Ich ließ die Peitsche durch die Luft
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