Der Musentempel
Fundianus. »Wir werden vom ägyptischen Pöbel ohne jeden Respekt behandelt. Wir, römische Bürger!«
»Mein Herr«, sagte Creticus, »du bist ein Geldverleiher, und Männer deiner Zunft werden weltweit gehaßt. Du solltest dankbar sein, daß du all die Jahre nicht gekreuzigt worden bist.«
»Ihr habt gut reden!« sagte Fundianus voller Verachtung. »Ihr Patrizier könnt es euch im Palast gemütlich machen und euch vollfressen, während wir, die wir die eigentliche Arbeit des Imperiums erledigen, schutzlos jeder Gefahr ausgesetzt sind!«
»Zu deiner Information«, sagte Creticus, »das Gens der Caecilier ist plebejisch, obwohl ich gerne zugeben will, daß es wenig Freude bereitet, dieselbe Klasse mit Geldverleihern und Steuerpächtern zu teilen.«
Ein Buchexporteur stand auf. Er war ein Mann von stattlicher Erscheinung.
»Meine Herren, dies ist ungebührlich. Wir sollten nicht noch einmal die alten Schlachten der Gracchen schlagen, wenn wir von außen bedroht werden. Es handelt sich nicht um einen Konflikt zwischen Ägypten und Rom, sondern um die Machenschaften eines bösartigen religiösen Betrügers aus Asia Minor. Verehrter Botschafter, kann der König nichts gegen diesen Mann unternehmen? Mit seinen vermeintlich göttlichen Enthüllungen hat er die ignorante Masse gegen uns aufgehetzt, und das ist für das Haus der Ptolemäer genauso schädlich wie für Rom.«
»Also zumindest einer von euch redet vernünftig«, grummelte Creticus. »Im Augenblick ist unsere Lage etwas heikel. König Ptolemaios würde gerne Maßnahmen ergreifen, sorgt sich jedoch, daß die Aufstände hier auf die Nomoi überspringen und einen veritablen Bürgerkrieg herauf beschwören könnten.
Jahrelang hatten Lucullus und Pompeius ihre Legionen im Orient stationiert, in einer Entfernung, in der sie jederzeit leicht in Ägypten hätten eingesetzt werden können. All diese Jahre mußten die Ägypter vorsichtig sein. Jetzt bereiten sich alle römischen Streitkräfte, die noch unter Waffen stehen, auf die Auseinandersetzungen in Gallien vor. Es könnte also lange dauern, bis wir wieder in der Lage sind, in Ägypten zu intervenieren.«
Das waren ernüchternde Worte, und die in der Halle versammelten Männer waren Römer genug, ihre Bedeutung zu verstehen. Ob im Geschäftsleben, in der Regierung oder der Legion, Römer waren es gewohnt, in weltweiten Zusammenhängen zu denken und nicht wie die meisten Menschen bloß bis zu ihrem Dorfplatz.
»Was ist mit Antonius in Makedonien?« fragte jemand.
Creticus schnaubte angewidert. »Kommt erstens nicht in Frage, weil die Makedonier ihn geschlagen haben. Nach dem letzten Stand unserer Informationen hat er sich aus seiner mißlichen Lage noch nicht befreien können. Außerdem ist es eine schlechte Jahreszeit für den Truppentransport auf See, und auf dem Landweg ist Makedonien weit weg.«
»Was soll dann geschehen?« fragte der Buchexporteur.
»Wenn ihr euch tatsächlich solche Sorgen macht«, sagte Creticus, »wäre vielleicht jetzt ein günstiger Zeitpunkt für einen Urlaub außerhalb Alexandrias. Zypern ist eine angenehme Insel, genau wie Rhodos oder Kreta. Nehmt eure Familien und überlaßt eure Geschäfte euren Freigelassenen.«
»Aber wir können doch nicht einfach alles zurücklassen!«
protestierte Fundianus. »Wir haben beträchtlichen Besitz. Man wird unsere Häuser und Warenlager plündern und niederbrennen. Die meisten unserer Freigelassenen sind ebenfalls Römer. Man wird sie umbringen.«
»Meine Herren«, sagte Creticus, »es besteht kein Grund zur Panik. Vielleicht entwickeln sich die Ereignisse weit weniger dramatisch. Ich werde meine Bemühungen fortsetzen, Ptolemaios zu Maßnahmen gegen diesen absurden Kult zu bewegen.« Er erhob sich, und mit dieser unbefriedigenden Einlassung endete die Audienz.
»Wie reagiert Ptolemaios wirklich?« fragte ich, als sie weg waren.
»Wie ein Flötenspieler«, erwiderte Creticus. »Er weigert sich zu glauben, daß die beobachteten Aktivitäten irgend etwas bedeuten. Er sagt, er habe Berenike ermahnt, nichts weiter mit diesem Ataxas zu tun zu haben, aber ich wage zu bezweifeln, daß das Flausenköpfchen dem alten Säufer viel Beachtung schenkt.«
»Hast du ihn wegen des Waffenlagers am See ausgehorcht?«
»Das habe ich. Er gibt völlige Unkenntnis vor und schwört, daß Achillas ein überaus loyaler Diener seines Königs ist.
Obwohl das irgendwie merkwürdig war...«
»Was?«
»Na ja, jedesmal, wenn er von Achillas sprach, hatte er die
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