Der Musentempel
Schauder. Ich warf einen Seitenblick zu meinen Kollegen und fragte mich, ob ich genauso dümmlich dreinschaute wie sie, mit hängendem Unterkiefer und stierem Blick.
Zahllose Anhänger waren sich zu Boden. Berenike kroch, Nase zuerst, auf dem Marmor herum. Julia und Fausta standen neben ihr und sahen sowohl besorgt wie auch peinlich berührt aus. Achillas betrachtete sie mit einem selbstzufriedenen Lächeln.
»SEHT!« dröhnte der abscheuliche Gott weiter. »SEHT! ICH VERKÜNDE EINE NEUE MORGENRÖTE FÜR DAS ROTE LAND UND DAS SCHWARZE LAND! HORUS, DIE SONNE, GEHT FÜR ÄGYPTEN AUF! UND ES WIRD NACHT FÜR DIE BARBAREN!«
»Barbaren!« grummelte Rufus. »Wir sind keine Barbaren, sie sind es!«
ȀGYPTEN IST DIE ERSTE UNTER DEN NATIONEN DER WELT.
ÄGYPTEN IST DAS ÄLTESTE ALLER LÄNDER. DREITAUSEND JAHRE LANG WAR ÄGYPTEN DAS EINZIGE ZIVILISIERTE LAND DER ERDE.
UND ÄGYPTEN WIRD WIEDER DIE ERSTE UNTER DEN NATIONEN SEIN! WEIL ICH, BAALAHRIMAN, DER NEUE OBERSTE GOTT ÄGYPTENS, ES SO VERKÜNDIGE! ICH WERDE WIEDER ZU MEINEM VOLK SPRECHEN! ABER ES MUSS SICH ERST ALS WÜRDIG ERWEISEN, MEIN WORT zu HÖREN!«
Der Gott verfiel in Schweigen, und der Mund bewegte sich nicht mehr, wenn er das überhaupt je getan hatte.
Mit zitternden Knien erhoben sich die Menschen. Andere blieben kopfschüttelnd und jammernd liegen. Wieder andere stürmten nach draußen, vermutlich um die frohe Botschaft unter den Gläubigen zu verbreiten. Die Ägypter murmelten, einige warfen uns Römern finstere Blicke zu.
»Ich denke, es ist vielleicht eine gute Idee, in die Botschaft zurück zu kehren«, meinte Rufus. Er und die anderen sahen leicht mitgenommen aus, wenn gleich nicht tief erschüttert. Die ominösen Andeutungen hatten sie irritiert. Doch ich war noch nicht bereit zu gehen. Als sie hinausströmten, ging ich zu Achillas hinüber.
»Glaubst du, der alte Baal-Ahriman hat auch die Makedonier gemeint, als er von den Barbaren sprach, für die in Kürze die finstere Nacht hereinbricht?« fragte ich.
Er lächelte und ließ seine langen, scharfen Zähne blitzen.
»Aber wir Makedonier herrschen in Ägypten schon seit Alexanders Zeiten. Wir sind inzwischen praktisch selbst Ägypter. Nein, meiner Meinung nach möchte der Gott die anmaßenden Römer aus unserer Mitte vertrieben sehen. Wie auch immer, ich bin lediglich ein bescheidener Diener des Königs. Die Deutung göttlicher Prophezeiungen überlasse ich den Priestern.« Er wies mit dem Kopf in Ataxas' Richtung.
Ataxas lag zitternd und zuckend mit Schaum vor dem Mund auf dem Rücken. Die Silberschale stand neben ihm auf dem Boden, die Sonnenstrahlen, die durch das Oberlicht hineinfielen, spiegelten sich blitzend auf ihrer blanken Oberfläche.
»Und nun, Römer«, sagte Achillas, »wäre es vielleicht das beste, wenn du und deine Freunde hier verschwinden.
Alexandrinische Menschenmassen sind sehr emotional und neigen zu euphorischen Aufwallungen. Falls sie dieses Ereignis als einen Ruf zur Vertreibung der Römer deuten sollten, wäre ich nicht in der Lage, für eure Sicherheit zu garantieren.«
»Du hast hundert Soldaten. Was kann der Pöbel dagegen schon ausrichten?«
Er zuckte die Schultern, was seinen Brustharnisch erneut quietschen ließ. »Wir sind für den Schutz der Prinzessin zuständig, nicht für einen Trupp römischer Touristen, die sich aus Spaß an der Freude dazu gesellt haben.«
»In der Gesellschaft der Prinzessin halten sich zwei patrizische Damen auf«, sagte ich. »Sie stehen doch gewiß unter dem Schutz der Prinzessin.« Wir blickten hinüber, wo Julia und Fausta Berenike wieder auf die Beine halfen. Die Prinzessin befand sich in einem nur geringfügig besseren Zustand als Ataxas. Ihr Haar und ihre Kleidung waren in dieser äußerst kurzen Zeit reichlich ramponiert worden, und es sah aus, als hätten die Ministranten den Boden nur nachlässig gefegt.
»Selbstverständlich werde ich mit größter Sorgfalt über die Sicherheit der Ehrengäste der Prinzessin wachen«, erklärte Achillas. »Ich wünsche dir eine gute und sichere Heimreise, Römer.«
Ich wandte ihm den Rücken zu und ging zu Julia.
»Draußen könnte es vielleicht ein bißchen wild zugehen«, sagte ich leise. »Dahinter steckt ein Plan, die Ägypter gegen uns aufzuwiegeln. Halte dich nahe bei der Prinzessin. Achillas sagt, daß er für eure Sicherheit sorgen wird, aber wir Männer müssen um unser Leben laufen.«
Sie runzelte die Stirn. »Aber von Rom war doch gar nicht die Rede.«
»Ja. Alles ganz
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