Der Musentempel
pfeifen und knallen.
In meiner Jugend hatte ich einmal Peitschenunterricht bei einem Einpeitscher der Roten Fraktion.
»Wir gehen schon, so schnell wir können, Herr!« protestierte der Schrittmacher.
»Dann macht euch fertig zum Laufen!« sagte ich. Ich ließ die Peitsche über die Köpfe in der Menge vor uns sausen.
»Platz da!« brüllte ich. »Macht Platz für die Herrlichkeit Roms, ihr blöden Ausländer!« Ich ließ die Peitsche knallen wie ein Verrückter, und wie durch ein Wunder teilte sich die Menge vor uns. Ich habe keine Ahnung, wohin sie gingen. Vielleicht drückten sie sich in Türen und Fenster. Wenn ihr Blut nicht gerade in Wallung war, gab es kein Volk, das so unverzüglich und bereitwillig auf Autorität reagierte wie die Alexandriner.
Die Träger verfielen in einen Trott, bevor sie zu laufen begannen, während ich weiter auf die Luft einhieb, als wollte ich mit jedem Schlag eine Hyäne niederstrecken. Bald wünschte ich mir, es gäbe eine zweite Sänfte, gegen die wir ein Rennen hätten austragen können, weil wir es, glaube ich, in Rekordzeit zum Palast schafften. Nach einer Viertelmeile gab es keine nennenswerten Menschenansammlungen mehr, da sich praktisch die ganze Stadt in Rhakotis aufhielt, aber es machte so viel Spaß, daß es mir sinnlos vorgekommen wäre, jetzt wieder abzubremsen.
Als wir das Palastgelände sicher erreicht hatten, überschlug sich die Sänfte beinahe, weil alle rechtshändigen Träger gleichzeitig hustend und kotzend zusammenbrachen. Irgendwie ließ sich diese Katastrophe jedoch abwenden, und wir stiegen unversehrt aus.
»Ich wußte gar nicht, daß du so flink mit der Peitsche umgehen kannst«, bemerkte Hermes voller Unbehagen. »Denk immer daran«, riet ich ihm. Die übrigen Mitglieder der römischen Gesellschaft gratulierten mir und klopften mir auf die Schulter.
»Vergeßt nicht die fünfhundert Denarii«, sagte ich nur, bevor ich mich auf den Weg zu Creticus machte.
IX
Die führenden Köpfe der römischen Gemeinde Alexandrias waren in der Versammlungshalle der Botschaft zusammen gekommen, um Creticus und den anderen Beamten der römischen Gesandtschaft ihre Beschwerden und Sorgen vorzutragen. Es waren eine ganze Menge, in der Hauptsache Händler. Üblicherweise verachteten die oberen Schichten Roms die Kaufleute, aber diese hier waren eine Macht, mit der man rechnen mußte. Die wohlhabenden Getreidehändler zählten zu den einflußreichsten Persönlichkeiten des Imperiums. Nur die Geldverleiher waren ähnlich einflußreich, aber wahrscheinlich noch unbeliebter. Es waren auch noch andere Händler anwesend, darunter besonders viele Exporteure von Büchern und Papyrus, da Ägypten praktisch die einzige Papyrusquelle und die Bibliothek die größte Bücher produzierende Einrichtung der Welt war. Außerdem gab es Händler für Elfenbein und Federn, für exotische Tiere und Sklaven. Es gab sogar einen Mann, dessen Geschäft ausschließlich im Export von hochklassigem Sand für die Circusse und Amphitheater der römischen Welt bestand.
»Botschafter«, sagte der Sprecher der Gruppe - eine kahle Gestalt mit großer Nase, der, wenn ich mich recht erinnere, auf den Namen Fundianus hörte -, »die Situation verschlechtert sich rapide. Wir Römer werden öffentlich beleidigt, wenn wir in den Straßen von Alexandria unseren Geschäften nachgehen wollen.
Wir werden mit Abfall beworfen, und unsere Frauen werden aufs Widerwärtigste belästigt. Willst du warten, bis es zu offenen Gewalttaten kommt, bevor du etwas unternimmst?«
»Welche Maßnahmen soll ich deiner Meinung nach ergreifen?« wollte Creticus wissen. »Ich bin Botschafter, kein Prokonsul. Ich kann keine Militäreinheit zusammen trommeln, bloß weil ihr nervös werdet. Darf ich dich daran erinnern, daß Ägypten eine unabhängige Nation ist, ein Verbündeter Roms?
Ich werde deine Botschaft seiner Majestät überbringen, aber das ist alles, was in meiner Macht steht. Ich werde dem Senat einen Brief schicken und die hiesige Situation beschreiben.«
»Was schert diese Promenadenmischung von einem König unser Wohl?« meinte Fundianus verächtlich. »Und was wird ein Brief an den Senat groß nutzen? Selbst wenn du ihn heute abschickst, würde er Rom nicht erreichen, bevor wir alle in unseren Betten massakriert worden sind.«
»Ein Massaker an römischen Bürgern würde den Staat wahrscheinlich zu konkreten Maßnahmen drängen, wenn dich das tröstet«, warf ich hilfreich ein.
»Das ist empörend!« brüllte
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